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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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vor‹.
    »Du denkst wohl, daß ich ja auch hier bin, aber an mir darfst du dir kein Beispiel nehmen. Vielleicht bin ich noch schlechter als du. Übrigens war ich betrunken, als ich hierher kam«, ich hatte es eilig, mich zu rechtfertigen. »Zudem kann ein Mann einem Weibe niemals Beispiel sein. Das ist zweierlei; wenn ich mich auch ruiniere und mich besudele, so bin ich doch niemandes Sklave, ich komme und gehe wieder, und fort bin ich. Ich schüttle alles ab und bin wieder der alte. Du aber, du bist gleich von Anfang an eine Sklavin, ja, eine Sklavin! Du lieferst dich ganz aus, mit deinem ganzen Willen. Willst du später diese Ketten zerreißen, so wird es nicht mehr gehen: immer tiefer und tiefer wirst du dich verstricken. Das ist schon eine verfluchte Kette. Ich kenne sie. Alles übrige will ich erst gar nicht erwähnen, du würdest es auch nicht verstehen. Aber sag mir nur noch eins: du bist doch sicher schon bei deiner Wirtin verschuldet? Aha, siehst du!« fügte ich hinzu, obwohl sie nicht geantwortet hatte, sondern nur schweigend mit ihrem ganzen Wesen zuhörte, »da hast du die Kette! Du wirst dich nie mehr loskaufen können, dafür wird man schon sorgen. Wie wenn man dem Teufel die Seele …
    … Außerdem bin ich … vielleicht, genauso unglücklich, woher willst du das wissen, und will absichtlich im Schmutz versinken, weil es mir genauso schlecht geht. Andere trinken aus Kummer: nun, und ich komme hierher – aus Kummer. Sag doch selbst, was ist daran gut: wir beide sind … vorhin zusammengekommen und haben doch kein Wort miteinander gesprochen, und erst hinterher hast du angefangen, mich wie eine Wilde anzustarren; und ich dich ebenso. Liebt man denn etwa so? Soll denn der Mensch mit dem Menschen auf diese Weise zusammenkommen? Das ist doch eine einzige Widerwärtigkeit und weiter nichts!«
    »Ja!« bestätigte sie hastig und schroff. Mich wunderte sogar die Hastigkeit dieses Ja . Also ist ihr vielleicht derselbe Gedanke durch den Kopf gegangen, als sie mich vorhin betrachtete! Also ist sie auch schon zu gewissen Gedanken fähig? … Hol’s der Teufel, das ist interessant, das ist ja – die gleiche Art, dachte ich und rieb mir beinahe schon die Hände. – Und wie sollte man mit solch einer jungen Seele auch nicht fertig werden! …
    Am meisten lockte mich das Spiel.
    Sie rückte näher und stützte, so kam es mir in der Dunkelheit vor, den Kopf auf ihrem Arm. Vielleicht betrachtete sie mich wieder. Wie bedauerte ich, daß ich ihre Augen nicht erkennen konnte. Ich hörte sie tief atmen.
    »Warum bist du hierher gekommen?« begann ich bereits mit einer gewissen Macht.
    »So …«
    »Aber wie gut könnte man es im Elternhaus haben! Warm, frei; ein eigenes Nest.«
    »Wenn es aber schlimmer ist als hier?«
    “Man muß den richtigen Ton treffen”, zuckte es mir durch den Kopf, “mit Sentimentalität wird man wahrscheinlich wenig erreichen.”
    Allerdings huschte das nur flüchtig vorüber. Ich schwöre, sie interessierte mich wirklich. Dazu kam, daß ich irgendwie abgespannt und eigentümlich empfindsam war. Das Schwindeln aber verträgt sich ja so gut mit Gefühl.
    »Wer will darüber etwas sagen!« beeilte ich mich ihr beizupflichten, »alles kommt vor. Ich für mein Teil bin überzeugt, daß irgend jemand dich beleidigt hat, daß man eher vor dir schuldig ist als du vor ihnen . Ich weiß zwar nichts von dir, eins aber weiß ich, daß ein solches Mädchen wie du sicher nicht aus eigenem Willen hierher kommt …«
    »Was für ein Mädchen bin ich denn?« flüsterte sie kaum hörbar, aber ich hörte es doch.
    “Hol’s der Teufel, ich schmeichle ja. Das ist schändlich. Vielleicht ist es auch gut …” Sie schwieg.
    »Siehst du, Lisa, ich spreche von mir! Wäre ich als Kind in einer Familie aufgewachsen, so würde ich anders sein, als ich jetzt bin. Ich denke oft darüber nach. Denn wie schlecht es in einer Familie auch sein mag – es sind doch immerhin Vater und Mutter und keine Feinde, keine Fremden. Und sollten sie nur einmal im Jahr ihre Liebe beweisen, so weißt du immerhin, daß du zu Hause bist. Ich aber bin ohne Familie aufgewachsen; deshalb bin ich wahrscheinlich auch so geworden … gefühllos.«
    Ich wartete wieder eine Weile.
    “Wahrscheinlich versteht sie das überhaupt nicht”, dachte ich. “Es ist ja auch lächerlich: Moral.”
    »Wenn ich Vater wäre und eine Tochter hätte, so würde ich, glaube ich, meine Tochter mehr als meine Söhne lieben, wirklich«, begann ich

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