Aufzeichnungen eines Außenseiters
würde nie drauf kommen, daß er all diese Gedichtbände geschrieben hat. Er hat viel zu lang im Postamt Briefe sortiert. Hat den Halt verloren. Sie haben ihm den Schneid abgekauft. Schade um ihn, aber ihr wißt ja, wie's ist. Trotzdem, er ist immer noch Klasse, große Klasse.«
Tack kennt sich aus mit den Leuten; es ist merkwürdig, aber nur zu alltäglich, zu wissen, daß an den meisten Leuten nichts dran ist. Das Ganze ist 'ne einzige beschissene Leier, man hat das alles schon so oft gehört, aber es ist doch ein merkwü rdiges Gefühl, wenn man es gesagt kriegt, während man an einem Kanal in Venice hockt und dabei ist, einen überdimensionalen Kater auszukurieren.
Er blättert in einem Buch. Meistens Aufnahmen von Dichtern. Mein Bild ist nicht drin. Ich hab spät angefangen und zu lang allein gelebt in billigen kleinen Zimmern und Wein gesoffen. Die Leute denken immer, daß so'n Einzelgänger behämmert sein muß, und vielleicht haben sie recht.
Er blättert also in seinem Buch. Meine Güte, da sitz ich mit meinem Kater und unter mir schwappt das Wasser, und hier ist Jack und blättert in seinem Bilderbuch, und ich sehe die Nasen und Ohren der Berühmtheiten auf den glänzenden Seiten in der Sonne aufblitzen. Mir ist alles gleich, aber ich schätze, wir müssen uns über irgendwas unterhalten, und Konversation liegt mir nicht, naja, er macht das alles allein, here we go, Venice Canal, das ganze traurige beschissene Leben . . .
»Der hier hat vor zwei Jahren durchgedreht. Der hier wollte, daß ich ihn blase, bevor er mein Buch veröffentlicht. »Hast du ihn . . .?« »Ob ich . . .? Gescheuert hab ich ihm eine! Mit dem hier!« Er zeigt mir seine Bronx -Faust. Ich lache. Er gibt sich wie er ist und macht keine Umstände. Alle haben heute Angst davor, schwul zu werden. Ich finde das ein bißchen ermüdend auf die Dauer. Vielleicht sollten wir alle schwul werden und uns endlich mal ein bißchen entspannter geben. Nichts gegen Jack, also. Er ist 'ne wohltuende Ausnahme. Zu viele Leute haben Schiß davor, etwas gegen Homos zu sagen — nicht mal auf der >rein intellektuellen Ebene«. Ebenso wie sich viele intellektuelle Blüten scheuen, etwas gegen die Linke zu sagen. Mich interessieren die Schwulitäten dieser Eierköpfe herzlich wenig. Auf jeden Fall weiß ich eins: zu viele Leute haben die Hosen voll. Jack ist also in Ordnung. Und da ich die letzte Zeit zu viel mit intellektuellen zusammen gewesen bin, weiß ich ihn besonders zu schätzen. Ich verliere sehr schnell die Geduld mit die sen preziösen Intellekten, denen ständig ein Juwel über die Lippen kommen muß, sobald sie die Schnauze aufmachen. Und es ermüdet mich, wenn ich dauernd zu tun habe, um mir einen Platz in der geistigen Arena freizukämpfen. Deshalb habe ich mich so lange Zeit überhaupt nicht blicken lassen; und jetzt, wo ich wieder mit Leuten zusammen komme, hab ich das Gefühl, daß ich mich am liebsten gleich wieder in meinen Bau verziehen möchte. Schließlich ist das Geistesleben nicht alles. Es gibt zum Beispiel noch Insekten, Palmen und Salzstreuer. Und da ich in meinem Bau über einen Salzstreuer verfüge, kann ich nur lachen. Und überhaupt ist den Menschen nicht über den Weg zu trauen.
»Die ganze Geschichte mit den Dichterlesungen ist eine Do mäne der Linksradikalen und Schwulen geworden«, sagt er und starrt in den Kanal.
Da ist sicherlich was Wahres dran und man kann schlecht was dagegen einwenden. Irgendwas ist faul an dieser PoetrySzene. Die Bücher der sogenannten Großen sind so elend langweilig; Shakespeare eingeschlossen. (War es damals schon so?) Ich entschließe mich, Jack einen Knochen vorzuwerfen. »Erinnerst du dich an das alte POETRY Magazin? Ich weiß nicht mehr, ob es Monroe war oder Shapiro, der das Ding herausgegeben hat; jedenfalls ist es mittlerweile so mies geworden, daß ich es überhaupt nicht mehr lese. Aber ich erinnere mich an einen Ausspruch von Whitman: >Um große Dichter zu haben, brauchen wir ein gutes Publikums Naja, ich hab Whit man immer für besser gehalten als mich, falls das überhaupt was bedeutet, aber in dem Punkt ist ihm was Falsches rausgerutscht. Es müßte heißen: >Um ein gutes Publikum zu haben, brauchen wir große Dichte<«
»Yeah, genau. Stimmt«, sagte Jack. »Ich hab kürzlich Creeley auf 'ner Party getroffen und hab ihn gefragt, ob er je was von Bukowski gelesen hätte, und da wurde er richtig eisig. Mann, er wollte mir einfach keine Antwort geben. Na, du kennst das ja.«
»Machen wir,
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