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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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und ist müde. Er grinst. Er fühlt sich gut. Ein einziges Mal in eurem Leben seid ihr vielleicht mal in einem Zimmer voll Leute gewesen, mit denen ihr euch in allem, was ihr tut, einig seid. Dies war so ein magischer Augenblick. Ich wußte es. Naja. O. K. Ich zischte noch 'n Glas Scotch aus reiner Verlegenheit. Bird schaute zu mir herüber.
»Hast du schon meine Collage gesehen?« Er hielt mir ein völlig beschissen aussehendes Ding hin, mit 'nem Ohrring draufgepappt, und in der anderen Ecke klebte noch so'n undefinierbarer Fetzen Mist; und ich schlitterte in einen dieser endlosen, langweiligen Vorträge über das und jenes, was mir nicht gefiel, und wie ich auf der Kunstakademie gelitten hatte . . .
Bird zieht die Notbremse. Er zerreißt das Ding und grinst mich an. Die Kokser-Masche. Aber ich kenn mich aus. Und ich weiß auch, jedenfalls nach dem was ich so höre, daß der einzige Kokser, der es wirklich überzeugend bringen kann, William Burroughs ist, dem die Burroughs Co. gehört, oder beinah, und der wirklich den harten Burschen abziehen kann, obwohl er innerlich ein fetter, schwuler, Warzen-schmatzender Macker ist. Jedenfalls hör ich das so hinten rum, und anscheinend redet man nicht laut darüber. Ob das stimmt? Na egal, sag ich, das mag stimmen oder nicht, auf jeden Fall ist Burroughs 'ne stinklangweilige Type, und ohne die tatsächlichen Erfahrungen, die hinter seinem Geschreibsel stecken, wäre er 'ne glatte Null, genauso wie Faulkner eine Null ist — außer in den Augen von ein paar vertrockneten Extremisten aus den Südstaaten — und genau wie Mr. Corrington und Mr. Nod und Mr. Suck-Dry-Shit. . .
»Baby«, sagen sie zu mir, »du hast 'n Schlag.« Und weiß Gott ja, das hab ich. Das hab ich. Und jetzt bleibt nichts mehr, als mich in die Grüne Minna zu verfrachten oder mich meinen Affen ausschlafen zu lassen.
Sie richteten mir ein Bett.
Ich kipp das Zeug zu schnell in mich rein. Sie unterhalten sich weiter. Ich höre sie, verschwommen, weit weg. Ich nicke ein. Ich schlafe. Das Meer wird mich nicht unter sich begraben, und die anderen werden mir auch keinen reindrükken. Sie haben meinen fetten, schlafenden, schnarchenden Körper gern. Ich bin ein Arschloch. Sie haben mich trotzdem gern. Ich wünschte, alle hätten es so gut wie ich.
Was soll ich mich da noch über 'ne leere Batterie aufregen. Es war der reine Irrsinn — da stand ich mit meinem Pappkoffer am Times Square und sie kamen aus allen Löchern herausgequollen, rempelten mich und schössen blindlings an mir vorbei. Endlich gelang es mir, einen von ihnen zu fragen, wo das Village sei, und als ich ins Village kam, fand ich ein Zimmer, und als ich meine Flasche Wein köpfte und mir die Schuhe auszog, merkte ich, daß in dem Zimmer eine Staffelei stand, aber ich war kein Künstler, nur ein Tramp auf der Suche nach dem berühmten Silberstreif am Horizont, und ich hockte mich hinter die Staffelei und trank meinen Wein und sah aus dem verschmierten Fenster.
Als ich rausging, um mir noch eine Flasche zu holen, sah ich unten in der Halle diesen jungen Typ im seidenen Morgenrock, Baskenmütze auf dem Kopf, Jesus-Sandalen an den Fü ßen und einen verkümmerten Bart in der Visage, und er sabberte ins Telefon: »Oh yes, yes, Darling, ich muß dich einfach sehen, oh yes, unbedingt! Sonst schneide ich mir die Puls adern durch . . .! Yes!« Und ich muß unbedingt hier raus, entschied ich. Was für ein mieser kleiner Scheißer. Der würde sich nicht mal die Schuhriemen durchschneiden. Und draußen hockten sie in den Cafes rum, sehr lässig, mit Baskenmützen und so, und machten auf Künstler.
Ich blieb dann doch eine Woche da, saß meine im voraus bezahlte Miete ab und nahm mir dann ein Zimmer außerhalb des Village. In Anbetracht der Größe und passablen Ausstattung war die Miete überraschend niedrig, und ich konnte mir zuerst nicht vorstellen, wo da der Haken war. An der Ecke war eine Bar, da saß ich den ganzen Tag über meinem Bier; das Geld ging mir langsam aus, aber wie gewöhnlich war mir der Gedanke an einen Job zuwider. Am späten Abend nahm ich mir zwei Flaschen Portwein mit aufs Zimmer. Ich zog mich aus, kroch ins Bett und goß mir das erste Glas ein. Und dann fand ich heraus, warum das Zimmer so billig war. Die »L*« führte genau an meinem Fenster vorbei. Und der Zufall wollte es, daß gerade hier eine Haltestelle war. Direkt vor meinem Fenster. Jedesmal wenn ein Zug hielt, wurde es taghell im Zimmer. Und ich hatte eine ganze Wagenladung

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