Aufzeichnungen eines Außenseiters
daß wir hier wegkommen«, sagte ich. Wir machen uns auf den Weg zu meiner Karre. (Irgendwie hab ich's mal zu 'nem Wagen gebracht, Gebrauchtwagen natürlich, reiner Schrott.) Jack ist nach wie vor in sein Bilderbuch vertieft.
»Der hier bläst jeden Schwanz in Sicht.«
»Oh yeah?«
»Und der hat 'ne Lehrerin geheiratet, die poliert ihm den Arsch mit der Peitsche, 'n fürchterlicher Rechen. Er hat seit seiner Heirat kein Wort mehr geschrieben. Ich wette, die hat seine Seele einbalsamiert und unter Verputz in ihrer Möse.« »Sprichst du von Gregory oder von Kero?«
»Nee, das hier ist wieder 'n anderer!«
»Großer Gott!«
Wir gehen weiter in Richtung auf meine Karre. Ich fühl mich ziemlich benommen, aber ich SPÜRE die Vitalität dieses Mannes, die pure ENERGIE in ihm, und für einen Moment wird mir klar, daß möglicherweise eines der wenigen unsterblichen Naturtalente unserer Zeit neben mir her geht.
Ich steig ein. Der Schrotthaufen springt an, aber die Schaltung klemmt wieder. Ich muß die ganze Strecke im ersten Gang fahren, und das Scheißding von Motor verreckt an jeder Kreuzung. Batterie mal wieder leer, ich flehe das Ding innerlich an, nur noch einmal anzuspringen, nur keine Bullen, nur nic ht schon wieder 'ne Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer . . . ich bieg links ab und steh vor dem Haus, das er mir angegeben hat, auf die Bremse, und wir steigen aus. Jack blättert immer noch in seiner Sammlung.
»Der hier is O. K. Der hat sich, seinen Alten, seine Mutter und seine Frau umgebracht, aber die drei Kinder und den Hund hat er am Leben gelassen. War einer der Größten seit Baudelaire.«
»Yeah?«
»Yeah. Shit.«
Also wir klettern aus der Karre und ich mach ein Kreuz über der Motorhaube in der Hoffnung, daß sich's die Batterie beim nächstenmal doch noch überlegen wird.
Wir gehen die Stufen rauf und Jack bollert an die Tür. » BIRD ! BIRD ! Hier ist Jack!«
Die Tür geht auf und da ist Bird. Ich muß zweimal hinsehen. Ist das nun ein Mann oder 'ne Frau. Das Gesicht hat die reine ätherische Schönheit von destilliertem Opium. Es ist ein Mann. Er hat die Bewegungen eines Mannes. Aber ich weiß, daß er jedesmal, wenn er sich auf die Straße traut, in Lebensgefahr schwebt. Irgendwann werden sie ihn killen, denn er hat nicht eine Spur von Tod an sich. Ich bin schon zu 9/10 krepiert, und an das restliche Zehntel klammere ich mich wie an ein rostiges Maschinengewehr. Und wenn ich die Straße runtergehe, sieht man mir's an.
»Bird, ich brauch 'n Zwanziger«, sagt Jack.
Eine gottverdammte 20-Dollar-Note schält sich aus Birds Hand. Die Bewegung ist glatt und lässig. »Thanks, Baby.« »Vergiß es. Wollt ihr reinkommen?«
»All right.«
Wir gehen also rein und setzen uns. Mein Blick fällt auf ein riesiges Bücherregal. Ich seh mir das mal genauer an, und da scheint kein einziges langweiliges Buch drin zu stehen. Ich seh all die Bücher, die ich selbst schon immer bewundert habe. Verdammt, träum ich? Der Junge hat ein Gesicht, daß mir jedesmal, wenn ich ihn ansehe, ganz warm ums Herz wird, naja, ihr versteht schon, wie über 'nem Teller Chili und Bohnen, so richtig dampfend heiß, nach 'ner ewig langen Sauftour, der erste richtige Fraß in Wochen, naja, fuck, ich muß immer auf der Hut sein.
Bird. Und der Ozean da draußen. Und eine abgelaufene Batterie. Eine schrottreife Karre. Und die Bullen, die ihre stupiden leeren Straßen patrouillieren. Was für ein lausiger Krieg. Und was für ein idiotischer Alptraum. Nur für einen Augenblick dieser ruhige Raum zwischen uns, und irgendwann werden wir alle an die Wand gedrückt, zertreten wie Kinderspielzeug, und Schluß mit unserem lahmen Heldentum. Also wir setzen uns. Eine Flasche Scotch erscheint. Ich kippe ein Wasserglas voll in einem Zug, ah, ich schnapp nach Luft, blinzle, ich Idiot, geh auf die 50 zu und versuch immer noch, den Helden zu spielen. Ich Arschloch von einem Helden, füsiliert von einer Salve Kotter.
Birds Frau kommt rein. Man stellt mich ihr vor. Sie ist eine Frau mit fließenden Bewegungen, sie hat ein braunes langes Kleid an und sie fließt, hat lachende Augen, und ich sag euch: sie fließt einfach so dahin.
»wow wow wow!«, sag ich.
Sie sieht derart gut aus, daß ich sie einfach hochheben muß, ich drück sie an mich, ich wirble mit ihr herum, ich lache. Niemand hält mich für verrückt. Wir alle lachen. Wir alle verstehen einander.
Jack hat es gern, daß ich aus mir raus gehe. Er hat den ganzen Nachmittag praktisch alleine bestreiten müssen
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