Aufzeichnungen eines Außenseiters
nicht was darüber? Dauernd wollen sie mir ihre verkorksten Bälle zuspielen, und ich soll sie irgendwie im literarischen Korb unterbringen. Mein Eindruck ist, daß sich bereits genug Experten mit dem Fall beschäftigen. Dies ist das Jahrzehnt der Attentäter und Experten. Und keiner von ihnen ist ein Stück gefrorene Hundescheiße wert. Das entscheidende Problem, das durch ein Attentat wie das auf Robert Kennedy aufgeworfen wird, ist, daß wir nicht nur einen guten Mann verlieren, sondern auch gewisse politische, geistige und soziale Errungenschaften wieder einbüßen — und es gibt solche Dinge, mag es auch noch so geschwollen klin gen. In der Krise, die durch ein solches Attentat ausgelöst wird, verhärten sich automatisch die Vorurteile der anti-humanen und reaktionären Kräfte, und die Folgeerscheinungen einer solchen Krise werden als Vorwand benutzt, um mühsam errungene Freiheiten wieder zu annullieren. Ich will mir hier nicht wie Camus (in seinen Essays) den Heiligenschein des engagierten Aktivisten aufsetzen, der sich um das Wohl der Menschheit sorgt, denn diese Menschheit macht mich zum größten Teil krank, und das einzige, was sich vielleicht anzustreben lohnt, wäre ein universales Konzept der Aufklärung und Erziehung, des gegenseitigen Verstehens auf der Basis realer positiver Vibrationen, eine Chance für die heranwachsende Generation, die noch nicht mit dem Rücken zur Wand steht; aber ich gehe jede Wette ein, daß man auch sie hopps nehmen wird und daß man ein solches Konzept schon in den Anfängen abwürgen wird, weil es denen, die am Drükker sitzen, an die Substanz gehen würde. Nein, Sweetheart, ich bin kein Camus, aber es stört mich doch, wenn ich sehe, wie unsere Bonzen im Schlagschatten dieser Tragödie ihr leeres Stroh dreschen.
Ein Auszug aus der Erklärung Gouverneur Reagans: »Der anständige, gottesfürchtige, die Gesetze unseres Landes achtende Bürger ist so erschüttert und besorgt über das, was geschehen ist, wie Sie und ich. Er, und wir alle, sind die Opfer einer Haltung, die sich in den letzten Jahren immer mehr breitgemacht hat — einer Haltung, die meint, daß es jedem überlassen sei, wie und wann er die Gesetze befolgen will; daß er um irgendeiner Sache willen das Gesetz in die eigenen Hände nehmen kann, und daß ein Verbrechen nicht notwendigerweise die Sühne nach sich ziehen muß. Diese Haltung ist bestärkt und ermutigt worden durch die unverantwort lichen demagogischen Reden sogenannter Leader, die oft nicht einmal ein entsprechendes Mandat besitzen.« Aber es hat keinen Zweck, diesen Burschen weiter zu zitieren. Das ganze Gerede ist einfach zu verlogen und durchsichtig. Das alte Vater-Image mitsamt der Knute, die dir über den Arsch gezogen wird. Und dann nimmt uns der gute Gouverneur die Spielsachen weg und schickt uns zur Strafe ohne Abendessen ins Bett.
Nun, weiß Gott, ich hab Kennedy nicht ermordet, weder den einen noch den anderen. Ich hab auch weder King noch Malcolm X. noch all die anderen umgelegt. Aber jeder kann sich ausmalen, aus welchen Motiven die Linksliberalen nachein ander abserviert werden (einer der Verdächtigen soll in einem Reformhaus gearbeitet haben und die >Juden gehaßt< haben . . .) — egal aus welchen Gründen, die Linken werden abgemurkst und unter die Erde gebracht, und die Rechtsradika len tragen dabei nicht mal Grasflecken auf ihren Knien davon. Daß die Attentäter krankhaft veranlagt sind, mag man ein räumen, und ebenso, daß das Vater-Image einen krankhaften Zustand signalisiert. O. K. Und dann kommen auch noch die >Gottesfürchtigen< an und behaupten, ich sei ein >Sünder<, weil meine Vorfahren mal dem Herrn Jesus an den Karren gefahren sind. Fest steht, daß ich weder den Herrn Jesus noch den Kennedy umgelegt habe, und Mister Reagan hat es, soviel man weiß, auch nicht getan. Das heißt, wird sind quitt. Das heißt nicht, daß Reagan was Besseres ist als ich. Was sind das denn für Leute, die versuchen, uns Scheiße aufs Brot zu schmieren? Wenn ein Pechvogel sich im Bett zu Tode vögelt, soll das heißen, daß alle anderen schuldbewußt das Pimpern einzustellen haben? Wenn sich herausstellt, daß ein mißratener Bürger ein klinischer Fall ist, müssen sich dann alle Bürger als klinische Fälle behandeln lassen? Wenn jemand Gott getötet hat, heißt das, daß ich auch den Wunsch hatte, Gott zu töten? Wenn jemand Kennedy umbringen wollte, wollte ich es dann auch? Wer bringt es fertig, den Gouverneur so ins Recht zu setzen,
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