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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Er warf die Karte auf den Boden. Es war doch alles egal. Wenn er wenigstens noch ein bißchen Selbstmitleid empfinden könnte oder sich in einen gesunden Wutanfall hineinsteigern könnte. Aber es war alles trocken und leer in ihm, und es kam ihm vor, als sei es nie anders gewesen.
Vor zwei Jahren hatten die Professoren angefangen, ihm die Tür einzurennen. Sie wollten herausfinden, wie er dazu kam, solche enormen Dinge von sich zu geben. Was hätte er ihnen schon sagen sollen. Sie waren alle gleich — so richtig gepflegt und adrett, auf eine beinahe weibische Art, mit langen Beinen, die sie zierlich schlenkerten, und großen, rosigen Schaufensteraugen. Und wenn sie erst den Mund aufmachten, tat es ihm leid, daß er sie überhaupt reingelassen hatte. Sie waren nichts als noble ästhetische Eierköpfe einer zerfallenden Struktur, die vor lauter süßem Eierschnee im Hirn nicht merkten, daß schon der ganze Dachstuhl in Flammen stand. »Schaff lieber noch einen Dollar an, Mr. Businessman . . .« Was war mit all der Härte in seinen Gedichten? Scheiße, er war mürbe und weich — jeder war es, wenn man genau hin sah. Sein ganzes Leben hatte er den harten Burschen rausgekehrt, aber diese Härte war nur ein Vorwand, ein verlogener Schutzwall. Er saß in einer lächerlichen beschissenen Falle, die er sich selbst gebaut hatte.
Er wälzte sich aus dem Bett. Es kostete ihn eine übermenschliche Anstrengung. Im Flur kam es ihm wieder hoch, grüngelbes schleimiges Zeug und etwas Blut. Er schwitzte und fror abwechselnd. Seine Füße schleppten schwer über die Dielen, als gehörten sie einem Gummielefanten. Flump, flump, flump. Und da (er blinzelte in das Licht einer Glühbirne) hing das stöhnende, angsterfüllte Auge des Konfuzius über seinem letzten Drink.
Blas mir einer den Blues ———
Er tastete sich ins Wohnzimmer vor . . .
»Hey, Mr. Businessman . . .«
peilte einen Sessel an, verfehlte ihn, krachte auf den Fußboden und brach in irres Gelächter aus... Vor ihm stand das Telefon. So enden also die Einzelgänger, dachte er. Irgendwo im Dunkeln. Allein mit sich selbst und der Welt. Als Einzelgänger sollte man sich beizeiten darauf einstellen. All die starken Gedichte helfen jetzt nicht mehr. Auch nicht all die Frauen, die ich aufgetan hab. Und die, die ich nicht geschafft hab, erst recht nicht. Was ich jetzt brauche, ist einer, der mir groß und sicher den Blues vorträgt und sagt, ich weiß, worum es geht. Junge, nimm es ganz in dich auf, und dann leg dich hin und laß alles gehen.
Er sah das Telefon an. Er überlegte und überlegte. Wen sollte er anrufen; wer würde ihm jetzt die richtigen Worte sagen, die ihm den Rest leicht machten. Er ging sie der Reihe nach durch, die wenigen von den M illiarden, die paar Leute, die er kannte.
Aber er wußte, es war zu früh am Morgen; kaum die pas sende Zeit für einen Sterbenden, um seine Freunde zu behelligen. Es wäre ungeschickt, sie würden wahrscheinlich denken, er mache Spaß oder sei besoffen oder verrückt, und er könnte es ihnen nicht einmal übelnehmen. Jeder war abgeschnitten, abgehängt, isoliert in seiner eigenen kleinen Zelle. Hey, Mr. Businessman . . .
Motherfuck!
Wer immer dieses Spiel erfunden hatte, er hatte sich einen sauberen, glatten Trick ausgedacht. Gut, nennen wir ihn Gott. Er war längst fällig für einen Blattschuß. Aber der raffinierte Bruder ließ sich nie richtig anvisieren. Das Zeitalter der Mörder hatte bisher den größten Halunken ausgespart. Seinen Sohn hätten sie damals fast gekriegt, aber er ging ihnen durch die Lappen und wir schlitterten weiter über die verkotzten Fliesen unseres Badezimmers. Der Heilige Geist war der gerissenste von den Dreien, er ließ sich überhaupt nie blicken. Er lehnte sich einfach bequem zurück und wichste, bis er schwarz wurde.
Seine Seele schlenderte aus dem Schlafzimmer mit einer leeren Dose Bier in der Hand. »Nur noch mal die Stimme deiner kleinen Tochter hören, damit du in Frieden abkratzen kannst, hm? Du mieser, sentimentaler Waschlappen! Deine kleine Tochter versumpft irgendwo in einem Hippie-Camp, während ihre Mutter irgendeinem Idioten an den Eiern fummelt! Na, wie schmeckt das? Schnall ab und schluck's runter, du lapprige Nummer!«
». . . you need love, you need love, love will get you in the end, my friend!«
Liebe, was? Und mich am Ende kriegen?
Der große Preßlufthammer Tod. Yeah.
Er fing an zu lachen, brach ab, würgte wieder einen Klumpen Kotze aus. Mehr Blut dieses Mal. Fast nur

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