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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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vorbeikommen.
»Nein, bitte nicht, Baby. Sonst b ring ich mich um.« »Ich komm sofort rüber!« sagte sie.
»Nein, bitte nicht, BITTE . . .«
Sie hatte bereits aufgelegt. Er starrte das Telefon an, stellte es zurück und ging wieder ins Badezimmer. Unverändert. Er ging zurück ins Schlafzimmer, legte sich hin und starrte auf die Risse an der Decke. Das war das erste Mal, daß ihm die Risse in der Decke auffielen. Sie sahen aus wie die Falten in einem freundlichen alten Gesicht. Er hörte den Verkehr draußen, gelegentlich einen Vogel, Stimmen auf dem Gehsteig — eine Mutter, die zu ihrem Kind sagte: »Na komm, geh doch ein bißchen schneller . . .«, ab und zu ein Flugzeug über dem Haus.
Es klingelte an der Tür. Er ging ins vordere Zimmer, zog den Vorhang an der Tür ein wenig beiseite und schaute hinaus. Es war Gloria. Weiße Bluse, leichter blauer Rock, sie sah gut aus, er konnte sich nicht erinnern, daß sie jemals so gut ausgesehen hatte. Strohblond. Voller Leben. Die Nase ein wenig zu dick, aber wenn man sich daran gewöhnt hatte, gefiel einem auch die Nase. Er fühlte, wie sein Herz schlug. Es tickte wie eine Zeitbombe in einer leeren Besenkammer.
»Ich kann dich nicht reinlassen, Gloria!«
»Mach die verdammte Tür auf, du doofer Arsch!« Er sah, wie sie versuchte, durch die Vorhänge hindurch einen Blick von ihm zu erhaschen.
»Gloria, du verstehst nicht . . .«
»Ich hab gesagt, MACH DIE TÜR AUF !«
»All right«, sagte er, »all right, verdammt nochmal!« Er spürte, wie sich hinter seinen Ohren der Schweiß sammelte und ihm langsam den Rücken hinunterlief.
Er riß die Tür auf.
» JESSES !« Sie gab einen halberstickten Schrei von sich. Ihre rechte Hand fuhr hoch und blieb über ihrem offenen Mund hängen.
»Ich hab doch GESAGT , ich hab doch versucht, dirs zu SA - GEN . . .«
Er machte ein paar Schritte rückwärts ins Zimmer hinein. Sie machte die Tür hinter sich zu und folgte ihm ins Zimmer. »Was ist das?«
»Ich weiß nicht, mein Gott, ich hab keine Ahnung. Faß mich nicht an, faß mich nicht an ... vielleicht ist es was Anstekkendes.«
»Mein armer Henry, oh, mein armer Junge . . .«
Sie kam näher, er wich weiter zurück und stolperte über einen Papierkorb.
»Verdammt! Ich hab dir gesagt, du sollst wegbleiben!« »Wieso, du siehst beinah hübsch aus!«
» BEINAH !« brüllte er. » ABER ICH KANN IN DEM ZUSTAND KEINE VERSICHERUNGSPOLICEN VERKAUFEN, ODER?!«
    Beide brachen in Gelächter aus. Dann hockte er plötzlich auf der Couch und weinte. Er hatte sein grün-goldenes Gesicht in den Händen und weinte.
»Mein Gott, warum kann es nicht Krebs sein, oder ein Herzinfarkt, irgendwas Ordentliches und Sauberes? Gott hat auf mich geschissen, das ist es, Gott hat auf mich geschissen!« Sie hatte begonnen, ihn am Hals zu küssen, und dann bewegten sich ihre Lippen über seine Hände, die er immer noch vors Gesicht geschlagen hatte. Er stieß sie weg. »Hör auf, hör auf!«
»Ich liebe dich, Henry. Mir ist das alles ganz gleich.« »Ihr gottverdammten Weiber seid alle bescheuert!« »Aber ja. Wann bist du zum Arzt bestellt?«
»Halb vier.«
»Ich muß zurück ins Büro. Ruf mich an, wenn sich was herausstellt. Ich komm heut abend wieder vorbei.«
»O. K. O. K.« Und dann war sie weg.
Zehn nach drei hatte er einen Hut auf, tief in die Stirn gezo gen, einen Schal um den Hals und eine Sonnenbrille auf der Nase. Beim Fahren vermied er jede unnötige Bewegung und schaute immer geradeaus, als ob er sich dadurch unsichtbar machen könnte. Er schien niemand aufzufallen. Das Wartezimmer war voll besetzt, alle lasen LIFE , LOOK , NEWSWEEK , und so weiter, die Stühle und Sofas reichten kaum aus, und es war heiß da drin. Seiten wurden umgeblättert, raschelten ... Er schaute herunter auf eine Zeitschrift, die er in den Händen hielt, und versuchte, nicht gesehen zu werden. 15 oder 20 Minuten lang ging alles gut; dann geschah das Unvermeidliche. Ein kleines Mädchen, das ständig seinen Luftballon durch die Gegend schubste und zwischen den Leuten herumrannte, kam in seine Nähe, und als der Ballon schließlich bei seinem Bein landete und die Kleine ihn aufhob, schaute sie ihm direkt ins Gesicht. Sie klemmte sich das Ding unter den Arm und lief zu einem absolut grundhäßlichen Weib mit Pfannkuchenohren und Augen wie das Innere einer Spinnenseele und sagte zu ihr: »Mammi, was ist mit dem Mann seinem GESICHT ?«
Und Mammi sagte: »Seh schschschschhhh!«
» ABER ES IST DOCH GANZ GELB UND HAT LAUTER SO ROTE

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