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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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»Letzte Woche hättet ihr Bukowski erleben sollen«, sagte einer. »Er tanzte mit dem Bügelbrett, und dann hat er sogar versucht, das Bügelbrett zu pimpern.«
»Yeah?«
»Yeah. Dann fing er an, uns seine Gedichte vorzulesen. Wir mußten ihm das Buch wegnehmen, sonst hätte er nicht mehr damit aufgehört.«
Ich sagte, da hat so ein jungfräuliches Wesen gesessen, das mich dauernd ansah, und deshalb hätte ich es nicht übers Herz gebracht, aufzuhören.
»Mal sehen«, sagte ich, »wir haben jetzt Mitte Juli, und ich hab dieses Jahr noch keine Frau umgelegt.«
Sie lachten. Sie fanden das lustig. Leute, die solche Probleme nicht kennen, finden das anscheinend immer lustig. Dann sprachen sie über diesen blonden Götterjüngling, der es mit drei Miezen zugleich trieb. Ich wandte ein, daß der Junge mit 33 in einer Fabrik als Pförtner enden würde.
Die jüngeren Gäste schlafften langsam ab, und schließlich saß ich mit einem Oldtimer allein, er war ungefähr im gleichen Alter wie ich. Und darauf geeicht, die Nächte durchzumachen. Als das Bier alle war, fanden wir noch 'ne kleine Flasche Whisky. Er war Herausgeber einer großen Lokalzeitung irgendwo im Osten. Wir unterhielten uns also gut. Zwei alte Knacker, die zuviel miteinander gemeinsam hatten. Es wurde hell. Kurz nach sechs stand ich auf. Ich beschloß, meinen Wagen dazulassen. Ich hatte ungefähr acht Blocks zu gehen. Der Oldtimer begleitete mich bis zur Kegelbahn am Hollywood Boulevard. Dann trennten wir uns mit einem altmodischen Händedruck.
Ich war vielleicht zwei Blocks von meiner Wohnung entfernt, als ich eine Frau sah, die sich vergeblich bemühte, ihren Wagen anzulassen. Sie stellte sich an wie der letzte Mensch. Der Wagen, ein älteres Modell, ruckelte ein paar Schritt vor und bockte. Sie drückte sofort wieder auf den Anlasser. Ich stand an der Ecke und sah ihr zu. Sie kam näher geruckelt, und schließlich stand sie mit ihrer Karre direkt vor mir. Ich sah eine Frau mit hochhackigen Schuhen an den Füßen, schwarze Netzstrümpfe, Bluse, Ohrringe, Ehering und Schlüpfer. Kein Rock, nur solche dünnen rosa Schlüpfer. Ich atmete tief ein. Sie hatte ein altes Gesicht und den Körper eines jungen Mädchens. Der Wagen machte wieder einen Sprung und wieder verreckte ihr der Motor. Ich beugte mich herunter und steckte meinen Kopf durchs Seitenfenster.
»Lady, ich glaub, es ist besser, wenn Sie das Ding hier parken. Die Bullen sind um diese Tageszeit besonders auf Draht. Sie könnten Trouble kriegen.« »Na schön.« Sie manövrierte den Wagen an den Straßenrand und stieg aus. Der Busen unter der Bluse sah auch noch ziemlich jung und griffig aus. Da stand sie also in ihren Pumps und schwarzen Netzstrümpfen und ihrem rosa Schlüpfer um 6 Uhr 25 an einem Morgen in Los Angeles. Das Gesicht einer 55Jährigen und der Körper einer 18jährigen.
»Sind Sie sich sicher, daß Ihnen nichts fehlt?« fragte ich. »Klar, mir fehlt nichts«, sagte sie.
»Sind Sie sich auch ganz sicher?«
»Aber ja, selbstverständlich.« Sie drehte sich um und ging weg. Ich stand da und beobachtete das Schaukeln ihres Hin terns unter diesem straffgespannten dünnen, rosa glänzenden Zeug. Da ging das gute Stück, die Straße runter, und niemand zu sehen, keine Bullen, keine Menschenscele. Nichts als diese wiegenden jungen rosa Hinterbacken, die sich von mir entfernten. Ich war zu bematscht, um mir ein Stöhnen abzuringen; ich fühlte nur, wie der wilde Kummer über diesen Verlust an mir fraß. Ich hatte nicht die richtigen Worte gesagt. Nicht die richtige Kombination gefunden. Ich hatte es nicht einmal versucht. Das mit dem Bügelbrett geschah mir recht. Naja, zum Teufel damit, doch bloß eine Irre, die um sechs in der Früh in rosa Schlüpfern rumrannte. Ich stand da und sah ihr nach. Das würden mir die Jungs nicht glauben, wenn ich es ihnen erzählte. Und dann drehte sie plötzlich um und kam zurück. Auf die Entfernung sah sie auch von vorn ganz gut aus. Tatsache ist, je näher sie kam, desto besser sah sie aus — wenn man das Gesicht dabei ausließ. Aber schließlich mußte man auch mein Gesicht außer Betracht lassen. Das Gesicht muß man immer als erstes abschreiben, wenn einen das Glück zu verlassen beginnt. Sie kam dicht an mich ran; und immer noch war kein Mensch auf der Straße zu sehen. Es gibt Augenblicke, wo der Wahnsinn so real und selbstverständlich wird, daß es schon kein Wahnsinn mehr ist. Da atmeten mir also die rosa Schlüpfer ins Fell, und kein

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