Aufzeichnungen eines Außenseiters
runter.
Es überraschte mich nicht besonders, als mir wenige Tage später eine Scheidungsklage ins Haus flatterte.
Ich hielt ihr betrübt das Stück Papier hin. »Baby, was ist denn das? Liebst du mich denn nicht?«
Sie fing an zu heulen. Sie heulte und heulte und heulte. »Na komm, na komm, krieg dich wieder. Vielleicht ist der Krawattenmuffel der Richtige. Ja, ich glaube, das wird der Richtige sein. Ich glaube auch nicht wirklich, daß er heimlich zu Hause onaniert.«
»Ohhhhh, ohh-ohh. Ohhhh , . .«
»Vielleicht wichst er nur in der Badewanne.«
»Oh, du gemeines Scheusal!«
Sie hörte abrupt zu weinen auf. Wir brachten ein letztes Mal die Geranientöpfe zum Einsturz. Dann ging sie ins Badezimmer, summte und trällerte vor sich hin. Ich suchte ihr eine Wohnung und half ihr beim Umzug. Sie wollte nicht im Haus wohnen bleiben; sie sagte, es würde ihr das Herz brechen. Übergeschnappte Möse. Am nächsten Tag kaufte ich mir eine Zeitung und konsultierte den Stellenmarkt. Packer, Laufjunge, Pförtner, Kaufhausdetekliv, Aushilfe in einem Heim für Krüppel, Telefonbücher austragen ... Ich warf die Zeitung in die Ecke, ging ins nächste Spirituosengeschäft und besorgte mir eine Flasche und begoß die entschwundene Million. Ich sah sie ein - oder zweimal wieder — nur so, ohne Geranien — und sie sagte, nach der ersten Nacht mit dem Krawattenmuffel hätte sie ihren Job aufgegeben, und jetzt wollte sie »ernsthaft« mit Schreiben und Malen anfangen. Später ging sie nach Alaska und heiratete einen Eskimo, oder einen japanischen Fischer, und wenn ich besoffen bin, mach ich mir manchmal einen Witz daraus, den Leuten zu erzählen: »Ich hab mal eine Million an einen japanischen Fischer verloren.«
Ein- oder zweimal im Jahr krieg ich einen Brief von ihr, zu Weihnachten meistens einen längeren. »Schreib mir mal«, sagt sie. Inzwischen hat sie zwei oder drei Kinder, die alle Eskimo -Namen haben. Und sie sagt, sie hat ein Buch geschrieben, ein Kinderbuch, und sie ist sehr »stolz« darauf, und jetzt schreibt sie einen Roman über »Persönlichkeitszerfall«. Oder vielmehr ZWEI . Aha, sag ich mir, einen über mich und einen über den japanischen Fischermann, der inzwischen wohl längst durchgedreht hat.
Vielleicht hätte ich mich lieber um die Blonde mit den großen Titten in der Abendakademie kümmern sollen. Aber man kann nie wissen.
Wahrscheinlich hätte auch sie die Schnecken mit den kleinen Löchern nicht gemocht. Aber Tintenfisch, das sollten Sie mal versuchen. Wie Babyfinger in zerlassener Butter. Und während Sie daran schmatzen, haben Sie das Gefühl, daß Sie genüßlich Ihre Rache auskosten, und dann kippen Sie ein Bier hinterher und zum Teufel mit der Million, und zum Teufel mit dem Elektrizitätswerk und mit Füller-Pinseln, kaputten Tonbandgeräten und den Hängebäuchen von Texas und ihren blödsinnigen Weibern mit den steifen Hälsen, die ständig keifen und flennen und einen auspowern und einem die Substanz rauben, und jedes Jahr zu Weihnachten ihren Fa
milientratsch auf einen loslassen, und obwohl man sich längst völlig fremd geworden ist, beharrlich in denselben alten Erinnerungen herumwühlen, Bruegel, die Fliegen, der 57er Ply mouth vor dem Fenster, das ganze Elend, sinnlos und vertan, das ständig gleiche müde Theater, unser ganzes Leben, immer nur einstecken, in die Knie gehen, wieder aufstehen, so tun als sei alles O. K., und wir grinsen und sabbern und wischen uns unsere kleinen verhärmten Arschlöcher und all die anderen Löcher.
Die Öffentlichkeit nimmt sich von einem Schriftsteller, was sie braucht, und den Rest läßt sie unter den Tisch fallen. Und was sie unter den Tisch fallen lassen, ist meistens das, was sie am nötigsten hätten.
Sex ist interessant, aber nicht das einzig Entscheidende. Ich will damit sagen, es ist nicht mal so wichtig (technisch gesehen) wie das Scheißen. Ein Mann kann 70 Jahre alt werden, ohne je eine Nummer zu schieben, aber ohne Stuhlgang kann er in einer Woche tot sein.
Vor allem hier in den Vereinigten Staaten geht die Überschätzung des Sex ins Aschgraue. Eine Frau, die sexy aussieht, benutzt ihren Körper automatisch als Waffe im Kampf um größeren materiellen Wohlstand. Ich spreche nicht von der gewerbsmäßigen Hure, ich spreche von eurer Mutter und eurer Schwester und eurer Frau und eurer Tochter. Und der amerikanische Mann ist dusselig genug, zuzusehen, wie dieser Extremismus weiter ins Kraut schießt. Sicher, man muß berücksichtigen, daß der
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