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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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nicht so wild zu sein. War es möglich? Moment, dachte ich: und wenn sie den Bus verpaßt hat? Egal, ich ging auf sie zu.
»Sind Sie Barbara?«
»Ja«, sagte sie. »Dann sind Sie also Bukowski . . .« »Schätze ja. Wollen wir?«
»Allright.«
Wir kletterten in meine alte Karre und fuhren zu mir. »Fast wäre ich unterwegs wieder ausgestiegen und umgekehrt.« »Kann ich verstehen.«
Bei mir zu Hause kippte ich schnell noch ein paar Gläser, aber sie wollte erst mit mir ins Bett, wenn wir verheiratet waren. Also legte sich jeder aufs Ohr, und am nächsten Morg en fuhr ich mit ihr nach Las Vegas und wir heirateten. Ich fuhr die ganze Strecke nach Las Vegas und zurück ohne Unterbrechung. Ich hatte es so eilig wie noch nie in meinem Leben. Der Schweiß brach mir aus, wenn ich an den Augenblick dachte, wo wir ins Bett steigen würden. Und wie richtig diese Ahnung war, stellte sich schnell heraus . . . NACH unserer ersten Nummer. O. K., sie hatte mir geschrieben, sie sei mannstoll. Aber ich hatte es ihr nicht geglaubt. Nach der dritten oder vierten Runde war ich soweit, daß ich es glaubte. Da wußte ich, daß ich mich in die Nesseln gesetzt hatte.
Ich arbeitete als Packer in einer Spedition. Ich gab den Job auf und wir nahmen den nächsten Bus nach Texas. Dort stellte sich heraus, daß ich eine potentielle Millionärin geheiratet hatte. Was mich nicht besonders aus der Fassung brachte — ich hatte schon immer einen leichten Schatten. Es war eine ziemlich kleine Stadt. Einer Untersuchung zufolge war es die letzte Stadt, auf die man eine Atombombe werfen würde, und ich war geneigt, mich der Meinung der Experten anzuschließen.
Sooft ich der Sklavenarbeit im Schlafzimmer entrinnen konnte, ging ich spazieren, ziemlich weich in den Knien und ziemlich bleich im Gesicht, und wurde natürlich von allen Seiten angestarrt. Ich war der Macker aus der großen Stadt, der sich das reiche Mädchen geangelt hatte. Irgendwas MUSSTE also an mir dran sein. Alles, was an mir dran war, war ein müder Schwanz und ein Koffer voll Gedichte.
Sie arbeitete im Bürgermeisteramt. Sie hatte einen riesigen Schreibtisch und nichts zu tun, und ich saß in ihrem Büro am Fenster, ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen und verscheuchte die Fliegen. Ihr Alter haßte mich wie die Pest. Opa dagegen schien mich zu mögen; nur hatte Papa fast all die Moneten. Also hockte ich am Fenster und verscheuchte die Fliegen und wartete. Ein riesiger Cowboy kam rein; in Stiefeln; einen enormen Hut auf dem Kopf; alles was dazu gehörte.
»Hallo, Barbara«, sagte er. Dann sah er mich.
»Sag mal. . . was machst du hier?«
»Was ich hier MACHE ?«
»Ja, was du hier eigentlich MACHST .«
Ich ließ eine lange Zeit verstreichen. Ich schaute aus dem Fenster. Ich verscheuchte eine Fliege. Dann wandte ich mich zu ihm um. Er beugte sich über den Schalter zu mir herein mit seinen eins-dreiundachtzig, mit seiner roten texanischen Visage, ganz amerikanischer Volksheld.
»Ich? Oooch, ich äh . . . ich HÄNG hier eben so rum und nehm, was kommt.«
Er fuhr zurück, als hätte ich den bösen Blick, und im nächsten Augenblick war es vor dem Schalter wieder leer.
»Weißt du, wer das war?« fragte sie mich.
»Nee.«
»Das war unser starker Mann; verdrischt die Leute und so. Er ist mein Cousin.«
»Na, aber eben hat er doch nichts GEZEIGT , oder?« Sie warf mir einen merkwürdigen Blick zu, und zum erstenmal hatte sie einen zweifelnden Ausdruck in den Augen. Sie merkte wohl langsam, daß die ganze Aura des sensiblen Ly rikers nur ein rosa Schleifchen war, das ich mir zu Weihnachten umband. Am BIue-Jean-Day (Cowboy-Festival) kramte ich meinen einzigen guten Anzug heraus und zog ihn an und schlenderte damit durch die Stadt. Angeblich sollte jeder, der an diesem Tag nicht in Blue Jeans rumlief, in den Löschteich geworfen werden. Aber damit war es nichts. Ich kriegte den Teich nicht mal aus der Ferne zu sehen. Ich hatte schon einiges getankt, wankte durch die Gegend und sah gefährlich drein. Die Stadt gehörte mir. Der Doktor kam angekrochen und wollte mit mir angeln gehen, oder auf die Jagd. Die Verwandten kamen an und machten große Augen, während ich die leergetrunkenen Bierdosen der Reihe nach in den Papierkorb flippte und Witze erzählte.
Aber sie wollte unbedingt nach Los Angeles ziehen. Sie hatte noch nie in einer großen Stadt gelebt. Ich versuchte es ihr auszureden, schließlich fand ich das Leben in Texas ganz erträglich, aber nein, sie mußte weg. Also stellte uns Opa einen

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