Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
sagte er, »Mann Gottes . . .!«
»Jeder macht mal 'ne kleine Dummheit«, sagte ich ungerührt. »Aber WER bringt es fertig, mit der dummen, arroganten Glorie seines genialen Irrsinns zu leben?«
»Nur einer: CHARLES BUKOWSKI !«
»Maxfield«, sagte ich, »du bist gar nicht so blöd wie ich gedacht hab.« Ich zog ihm die Zigarette aus dem Hintern, schnupperte daran und warf sie in die Ecke.
»Also, im Ernst«, sagte ich, »das mit Camus ist gar nicht so schwer zu verstehen . . . wenn du mir folgen kannst. . . ein Brukk, ein Banko, ein Sestina-vik ... all das . . . brillanter Schreiber, gewiß, ABER ... letzten Endes doch umgefallen ...« »Wovon redest du eigentlich?«
»Von den Briefen an COMBAT , von den Reden für L'Amitie Francaise, von den Erklärungen, die er im DominikanerKloster von Latour-Maubourg abgegeben hat. Und seine Antwort an Gabriel Marcel. Und die Rede im Gewerkschaftshaus von Saint-Etienne am 10. Mai 1958. Und die Tischrede anläßlich eines Banketts zu Ehren von Präsident Eduardo Santos, ehemaliger Herausgeber von >Il Tiempo<, und von der Junta aus Kolumbien vertrieben. Und der Brief an M. Aziz Kessous. Und das Interview in >Demain< im Oktober 1957. Mit anderen Worten: weich geworden, sich abkauen lassen, seine Position aufgegeben. Er starb in einem Auto, das er längst nicht mehr steuerte ...»
»Trotzdem«, sagte er, »was für ein Recht haben wir, auf den Mann zu scheißen? Wer sind wir denn schon — kleine Nummern . . . mit Flinten, Schreibmaschinen, anonymen Briefen unter der Tür . . . räudige alte Köter, die versuchen, einem großen Toten ans Bein zu pissen . . .«
»Ach, fick dich doch nichts ins Knie . . .«, sagte ich. Wir schwiegen eine lange Zeit. Schließlich sagte ich: »Was machen wir jetzt mit dieser Leiche?«
»Wieso? Hab ich doch schon erledigt. . .«
»Ich meine JETZT . . .«
»Jetzt bist du dran.«
»Vergiß es.«
Wir schwiegen und starrten den toten Körper an. »Warum sprichst du nicht mit Steinfeit?« fragte Maxfield. »Warum ich . . .«
»Ja, warum denn nicht?«
»Mensch, du gehst mir vielleicht auf die Nerven.« Ich ging rauf und nahm den Hörer ab. Er fühlte sich an wie ein großer, schlaffer Negerschwanz. Meine Hand war feucht und verschwitzt.
»Steinfeit«, sagte ich.
»Was meinst du, wer das 9. Rennen gewonnen hat?« fragte er, »Harness oder Del Mär?«
»Harness.«
»Falsch getippt. Jonboy Star. 5 Mille gemeldet. Davor in Spokane waren es sechs, Asaphr im Sattel. Am Start die 8. Sechs zu zwoeinhalb. Jetzt die 2. Jack Williams übernahm. Morning Line 4. Mit 7/2 eröffnet. Nach letzten Wetten auf 2/1 herunter. Gewann spielend.«
»Und auf wen hast du gesetzt?«
»Smoke Concert.«
»Na also. Was soll der Quatsch.«
»Rabbit Ram Kay Remus. Hard.«
»Spooks«, sagte ich. »Spooks down tender.«
» FUCK YOU «, sagte Steinfeit und hängte auf.
Ich ging wieder runter. Copelands >Fanfare for the Common Man< dröhnte aus dem Lautsprecher. Maxfield machte sich wieder an der Leiche zu schaffen.
Ich sah ihm eine Weile zu.
»Mein lieber Freund«, sagte ich, »unser Job ist nicht einfach. Denk an Afrika, denk an Vietnam, denk an Watts und De troit; denk an die Boston Red Sox und das L. A. Landes museum. Oder sonst was. Denk dran, wie beschissen du im Spiegel aussiehst.«
»Blubb«, sagte Maxfield.
Der unaufhaltsame Untergang des Alten Westens. Noch zehn Jahre. Höchstens noch zehn Jahre, lieber Spengler. Oswald. OSWALD ??? Le Harvey Oswald Spengler.
    Miriam und ich hatten eine Art Gartenhaus gemietet, was ganz praktisch war — Miriam ging arbeiten, und ich kümmerte mich um die Tulpen und Bohnen und führte den Hund aus. Das war alles, was ich tat; wenigstens nach außen hin. Die Miete war minimal und die Nachbarn ließen einen in Ruhe, sogar wenn man im Suff randalierte. Wenn die Miete fällig war, mußte man dem Hausbesitzer geradezu damit nachlaufen. Er war Autohändler und schwamm im Geld. Wenn man ihm dezent andeutete, daß man mit der nächsten Miete vielleicht ein oder zwei Wochen in Verzug geraten würde, sagte er nur: »Schon gut. Nur, tun Sie mir den Gefallen und geben Sie das Geld nicht meiner Frau. Sie säuft mir in letzter Zeit zuviel, und ich möchte nicht, daß das ins Kraut schießt. . .«
Es war ein gemütliches Arrangement. Miriam arbeitete als Stenotypistin in einem großen Möbelgeschäft. Morgens war ich meistens zu verkatert, um sie an den Bus zu bringen; aber abends holte ich sie immer mit dem Hund an der Haltestelle ab. Wir hatten zwar einen Wagen,

Weitere Kostenlose Bücher