Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
der falschen Seite.
Der Weg hatte in der Zwischenzeit eine leichte Biegung gemacht, und um endlich an den Cache zu kommen, entschieden wir (okay: ich) uns für eine Abkürzung. Wir verließen also den Feldweg. Das Gras ging uns erst bis an die Knöchel, dann bis an die Knie und bald bis an die Hüfte. Irgendwann war es eindeutig kein Gras mehr, sondern eher als Gestrüpp zu bezeichnen.
Die Entfernung zum Fluss wurde jedenfalls kleiner und kleiner, während meine Zweifel, ob wir auf der richtigen Seite suchten, dagegen größer und größer wurden und die Flüche meiner Frau schlimmer und schlimmer. Ab dem Moment richtete sich alles gegen mich. Schlagartig hörte der Bewuchs auf, und ich wäre fast ins Wasser gestürzt, hätten mich nicht die stacheligen und dornigen Ranken der Pflanzen in letzter Sekunde festgehalten. So hing ich knapp über den reißenden Fluten leicht schräg inder Luft und blickte auf das dahinströmende Nass. Da sah ich einen kleinen Strandstreifen, der wie geschaffen war für einen Cache – auf der anderen Seite des Flusses. Und wir waren hier.
Während ich das näher kommende Kampfgeräusch meiner Frau hörte, das unweigerlich entsteht, wenn die Natur versucht, den Menschen zu besiegen, beschloss ich, tapfer zu sein und mit aller Kraft meines Geistes und Körpers das Problem zur Sprache zu bringen.
«Ähmmm …», setzte ich an.
Jetzt war meine Frau wieder an der Reihe.
Auf dem Rückweg zum Wagen versuchte ich ihr die ganze Zeit zu erklären, warum ich mir aber wirklich sicher gewesen war, dass diese Seite die richtige war. Als wir im Auto saßen und über den Fluss fuhren, echauffierte auch ich mich: Ja, ich hätte die Einwände ihrerseits gehört, aber trotzdem, und überhaupt hätte der Cacheleger auf so was achten können. Wenn sie jetzt nicht sofort ruhig sei, bliebe ich auf der Stelle stehen und hielte so lange die Luft an, bis sie «bitte, bitte, bitte» sage. Irgendwann habe ich dann doch wieder angefangen zu atmen.
Wenig später parkten wir auf der anderen Seite, etwa zwei Kilometer vom Versteck entfernt, und spazierten gemütlich den Fluss entlang. Auf einmal war mir klar, warum alle anderen Sucher in der Cachebeschreibung erwähnt hatten, wie schön dieser Weg sei und so einfach und dass er Spaß mache und entspannend wirke. Das war mir zehn Minuten vorher noch ein völliges Rätsel gewesen, denn von Entspannung und Spaziergang keine Spur. Vielleicht hätte ich da schon stutzig werden sollen.
Endlich standen wir dann genau an der Stelle, an der uns das Gerät sagte: «Entfernung zum Ziel: 0 Meter». Da wir diesmal ganz sicher auf der richtigen Seite des Flusses waren, konnten wir endlich entspannt durchatmen, uns umsehen und in aller Ruhe nachdenken: «Hä? Was’n jetzt?»
Vor uns nichts als ein kleiner Sandstreifen, dazu hier ein paar Bäume, dort ein kleines Gebüsch. Wo sollte der Cache nun sein?
Da der Versteckende natürlich nur deshalb «Versteckender» heißt, weil er was
versteckt
, und der Sucher nur deshalb «Sucher» heißt, weil er
sucht
, hatten wir unser Ziel noch lange nicht erreicht. Wo befand sich die Dose? Diese Frage sollte uns leider die nächsten zweieinhalb Stunden quälen.
Es lag an der «Genauigkeit». Wie schon erwähnt, weicht die Angabe immer ein wenig ab. Diesmal stand «6 Meter» auf dem Display, also waren wir entweder genau an der richtigen Stelle oder eben sechs Meter weit weg. Meist bin ich natürlich an der richtigen Stelle, aber das weiß das Gerät nicht, denn es «denkt», es befinde sich irgendwo innerhalb dieser sechs Meter, nur eben woanders. Endlich hatte ich es geschafft, nach einigem Verharren in völliger Bewegungslosigkeit zeigte das Gerät Folgendes an: «Entfernung zum Ziel: 0 Meter, 6 Meter Genauigkeit.» Ich freute mich riesig, aber leider brachte es uns gar nichts. Denn jetzt mussten wir den Cache in einem Radius von zwölf Metern 24 suchen .
Egal, wir gaben trotzdem nicht auf. Angeblich war der Cache ein «Regular», also ein Behältnis in der Größe einer Tupperdose. Wie immer konzentrierte ich mich bei der Suche auf eine Plastiktüte oder etwas ähnlich Wasserabweisendes. Damit die Dosen gut gegen Witterung und wildes Getier geschützt sind, umwickeln die Owner sie oft ein-, zwei- oder gar dreimal wasserdicht und bedecken sie dann mit etwas Laub, Zweigwerk oder Steinen.
Inzwischen verfahre ich fast immer nach demselben Schema:Damit mir beim Cachesuchen nicht langweilig wird, vertreibe ich mir die Zeit
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