Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
das Gespenst war süß. Das hängt jetzt vergrößert bei mir an der Wand.
Diesmal lief es jedoch schon besser als beim letzten Cache. Nachdem wir geparkt hatten, betraten wir die kleine, frei zugängliche Parkanlage, die das Schloss «Moyland» umgibt. Die erste Station war relativ leicht zu finden. Zur Cachebeschreibung gehörte das Bild einer «Saugstelle», und genau da mussten wir hin. Von dort führten wir (oder besser Micha) die Peilung durch und machten uns wieder auf den Weg.
Wir hatten uns fest vorgenommen, diesmal erfolgreich zu sein und engagierter an die Sache heranzugehen. Aber das war nicht einfach, und wir mussten wirklich all unsere Kräfte einsetzen, damit wir letztendlich erfolgreich waren. Eine Familie mit einem siebenjährigen Kind war ebenfalls auf der Suche nachdem Cache unterwegs und spazierte nur zehn Meter vor uns um das Schloss herum. Und ich muss sagen: Respekt, Micha. Als er die drei sah, ließ er den Rucksack mit unseren Regensachen einfach fallen und rannte mit Blick auf sein GP S-Gerät los. Er stellte den Eltern ein Bein und beförderte das Kind mit einem gezielten Bodycheck ins Gebüsch. So waren wir die Ersten am angepeilten Punkt.
Diesmal war die Suche nach dem Cache insgesamt etwas einfacher, weil wir nicht wieder all die verschiedenen Versteckmöglichkeiten durchgehen mussten. Da rechts und links Bäume waren, mussten wir bloß die 12 332 Wurzeln und Stämme um uns herum näher in Augenschein nehmen. Wir hoben und verbogen Holz an allen möglichen Stellen, nur gestört durch eine Familie, die irgendwann ihr weinendes Kind an uns vorbeitrug. Nach ein paar Minuten war ich endlich erfolgreich: Ein kleines Zeichen, ein «G», ließ mich stutzig werden. Es war auf einen Aststumpf gemalt. Irgendwo hier am Baum musste demnach der Cache versteckt sein.
Wir wussten aus der Cachebeschreibung lediglich, dass es sich um einen so genannten «Micro» handelte, also etwa in der Größe einer Filmdose. Bald hatten wir fast den ganzen Baum geschält und das Wurzelwerk komplett von Erde befreit, da stieß Micha mich an. Ich sah ihm ins Gesicht und erschrak. Eine Träne lief ihm die Wange herunter und hinterließ einen sauberen Streifen in seinem ansonsten recht verdreckten Antlitz. Ich folgte seinem Blick, folgte der Richtung, die sein ausgestreckter Zeigefinger vorgab. Und dann sah ich ihn. Den Cache. Ein kleines weißes Etwas lugte zwischen der Borke des Stammes hervor. Es war ein winziges Gespenst.
Ganz vorsichtig lösten wir es heraus und legten es sanft auf den mit Nadeln bedeckten Waldboden. Wir öffneten die darin eingelassene Filmdose und fanden tatsächlich Notizzettel und Stift. Mit zitternden Fingern falteten wir den Zettel auseinander und trugen uns ein. Wie schön, zu sehen, wenn die Farbe des Stifts Linien auf dem Papier hinterlässt und man seinen eigenen Namen erkennen kann. Wir waren so stolz.
Es war scheu und ließ sich nur unter großen Mühen fotografieren.
Ich muss schon sagen, den ersten Cache zu heben 18 ist wirklich ein unglaubliches Gefühl. Das ist so, wie wenn ein gigantischer Sonnenauf- und ein Sonnenuntergang gleichzeitig den morgend- und abendlichen Himmel in flammendes Rot tauchen. Man blickt auf dieses kleine Etwas und sagt zum ersten Mal: «Wie bescheuert muss jemand sein, eine Geisterfigur an einem Baum zu verstecken?» Und gleich darauf: «Wie bescheuertsind erst diejenigen, die wegen so etwas durch die Gegend rennen?» Diese Sätze sage ich auch heute eigentlich jedes Mal und vor allem mehrmals, wenn ich wieder mal auf der Suche nach einem Cache unterwegs bin.
Wie sich das gehört, haben wir, nachdem wir zu Hause angekommen waren, unsere Erlebnisse auch geloggt und auf den Webseiten, auf denen wir die Cachebeschreibung gefunden hatten, einen Eintrag hinterlassen. Natürlich haben wir zuerst unseren Fund voller Stolz kundgetan.
«So, das war mein erster Erfolg als Cacher […] Mann, war ich stolz, nennt mich OSKAR. Und morgen wird ein GP S-Gerät gekauft.»
Trotz aller Freude haben wir uns verantwortungsvoll verhalten und auch unseren Misserfolg nicht für uns behalten, sondern dem Owner einen Hinweis hinterlassen:
«Das war unser erster Cache, leider haben wir die zweite Station nicht gefunden. Wahrscheinlich ist sie kaputt, oder jemand hat den Hinweis vernichtet. Schade. Aber schöne Gegend, wir kommen gerne wieder!»
Die Antwort folgte prompt:
«Habe nachgesehen, alles da. Danke, dass ihr mich umsonst zur Kontrolle rausgeschickt
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