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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hoëcker
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vorbei.
    So auch «Wernhers Memorial Cache», der bei mir besonderen Eindruck hinterlassen hat. Er liegt auf einem alten militärischenWaffentestgelände südöstlich von Berlin. 1873 vom damaligen Kaiser Wilhelm   I. gegründet, wurden dort bis zum Jahr 1945   Kanonen und andere Großfeuerwaffen getestet. Dafür wurde eigens eine 14   Kilometer lange Schneise in den Wald geschlagen. An der einen Seite wurden die Geschütze abgefeuert, und auf der gesamten Strecke standen alle 50   Meter irgendwelche Mitarbeiter und gaben durch, wie weit die Dinger flogen. Wenn einer aufhörte mit Zurufen, wusste man auch, wie weit das Geschoss geflogen war. Da dieses Gelände während der DD R-Zeit nicht benutzt wurde, ist dort alles zugewuchert. Die alten Gräben sind zugefallen, und die Wege und Straßen sind nur noch rudimentär zu erkennen. Das Besondere an diesem Cache ist aber, dass einen die Suche zu einem alten Raketentestgebäude führt. Dort hat Wernher von Braun einst seine ersten Raketenversuche unternommen, bevor er nach Peenemünde gegangen ist.
    Die Cachedose zu finden war für Tobi und mich nicht sonderlich schwer: Wir parkten mal wieder am Rand der Landstraße und wanderten auf einer alten Panzerstraße in den lichten Wald. Schon auf den ersten Metern merkten wir, dass hier irgendetwas anders war. Überall waren Gräben und Mauerreste. Wir folgten den Pfaden bis zur angegebenen Stelle. Von dort mussten wir nur noch peilen. 123   Meter Kurs 23° nach Nordost. Dort lag ein Rohr unter Steinen versteckt, und darin befand sich der Cache. Er war an dieser Stelle leicht zu entdecken. Dass es tatsächlich einfach war, ist unter anderem daran zu erkennen, dass Tobi ihn zuerst bemerkte.
    Doch der Cache war gar nicht das eigentlich Besondere. Denn jetzt begann der interessante Teil dieses Lost Place. In der Cachebeschreibung waren noch einige andere Koordinaten angegeben, an denen es interessante Sachen zu entdecken gab. Obwohl wir schon fündig geworden waren und eigentlich längst zum nächsten Cache wollten, ließ uns der Ort nicht los, und wirsahen uns noch ein wenig um. An einer Stelle, an der sich einmal eine Testanlage für Raketentriebwerke befunden hatte, konnte man erkennen, wo der Triebstrahl durch die gebogene Bodenbauweise umgelenkt worden war. Etwas weiter weg befand sich ein gemauerter Unterstand mit kleinen, dicken Panzerglasfenstern. Das Glas war noch erhalten, und wir stellten uns dahinter und blickten auf die Testanlage. Genau an dieser Stelle hatte einst auch Wernher von Braun gestanden und sich die Experimente angesehen. Hier beobachtete er die Vorgänge und fragte sich: «Kann das klappen? Was muss man verbessern?»
    Wir gingen weiter. An einer anderen Stelle blieben wir vor einem riesigen Raum stehen, der mit etwas Schwarzem angefüllt war. Wir fragten uns, was das sei, hatten aber keinen blassen Schimmer. Später bekamen wir vom Owner noch mehr Informationsmaterial. Darin stand, dass hier Geschosse getestet worden waren. Man hatte einfach in den Haufen Sand gezielt, die Projektile danach ausgegraben und untersucht, wie sie sich im Lauf von Kanonen verhielten und welchen Belastungen sie ausgesetzt waren.
    Tobi und ich kletterten über unzählige verschiedenartige Hügel. Völlig ahnungslos, was das alles war, wofür man das brauchte und was darunter verborgen lag. Letztendlich handelte es sich um Nachbauten von verschiedenen Befestigungsanlagen und Bunkern. Hier wurde damals getestet, wie stabil sie waren oder wie ihnen am besten beizukommen war. Unter anderem hatte man mehrere Meter Westwall hier im Osten nachgebaut. Wenn wir zwischendurch anhielten und still diese alten Bauwerke betrachteten, schien es fast, als hörten wir noch leise die Stimmen der Menschen, die hier früher gearbeitet haben. 51
    Tobi sollte auf diesem Gelände noch eine ganz besondere Erfahrung machen. Wir waren auf dem Rückweg zum Auto, quer durch den Wald, als ich auf einmal ein Knacken hinter mir hörte. Ich drehte mich um und musste feststellen: Tobi war weg. Wahrscheinlich war er in einen der unterirdischen Bunker gestürzt und jetzt verschollen. Ich machte mir zuerst große Sorgen und dachte: Oh mein Gott, wo wird er sein? Wie werde ich ihn finden? Komme ich überhaupt an ihn heran? Dann fiel mir zum Glück ein, dass ich den Autoschlüssel hatte, und auf einmal war alles wieder gut.
    Ich blieb ganz locker. Ich war ja schon erfahren, es war schließlich nicht mein erster Lost Place mit all seinen Unwägbarkeiten. Am

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