Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Frage ist nur: Hat die Staatsgewalt an der jeweiligen Stelle eine «Möglichkeit», dieses «Parken» als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, und wenn ja, tut sie das auch? Eigentlich suchen wir also nach einem nichtordnungswidrigkeitsahndbaren Stellplatz für unseren Wagen.
Wir finden ihn, obwohl wir ihn gar nicht suchen, weil wir ja wissen, wo es langgeht. Irgendwie ist heute alles anders. Wir müssen diesmal nach nichts suchen und trotzdem etwas finden, was andere dann wieder suchen müssen. Es ist einfach alles andersherum. Nur wir nicht, das sei hier schnell noch hinzugefügt.
Am Parkplatz oder vielmehr am nichtordnungswidrigkeitsahndbaren Stellplatz angekommen, steigen wir aus. Wir hören immer noch Enya, denn Micha ist irgendwie überhaupt kein Heavy-Metal-Fan,und da er die Zetteltrag- und Aufschreibaufgabe hat, will ich ihn bei Laune halten. Wir ziehen uns Wanderschuhe an, schultern einen Rucksack, packen Zettel und Stifte in unsere Taschen und starten unsere elektronischen Positionsberechnungsgeräte.
Am nichtordnungswidrigkeitsahndbaren Stellplatz müssen wir gleich die ersten Koordinaten aufschreiben, um sie später in der Cachebeschreibung angeben zu können. Da die GP S-Geräte bekanntlich zum Teil am selben Ort unterschiedliche Werte anzeigen, haben wir beschlossen, diese eine Weile liegen zu lassen. Dann mittelt das Gerät nämlich irgendwann selbst, und wir wollen unsere beiden Werte auch noch einmal mitteln. Wir haben uns extra dafür vorab ein paar komplexe Mittelwertberechnungsstrategien ausgedacht und uns die entsprechenden Algorithmen aus dem Internet heruntergeladen. Wir vergleichen unsere Zahlen – sie sind identisch –, wir gehen los. Irgendwie stellen sich immer die Dinge, die man als kompliziert erachtet, als ganz einfach, und Dinge, von denen man denkt, sie seien einfach, als super kompliziert heraus.
Jetzt sind wir endlich im Wald angekommen. Spontan gehen wir einen gegenüber dem nichtordnungswidrigkeitsahndbaren Stellplatz beginnenden, breiten Forstweg entlang. Es geschieht völlig unvorherbestimmt, es sei denn, man glaubt an Schicksal, aber das tue ich nicht, also ist es unvorherbestimmt. Nach zwei oder drei Minuten kommen wir an einer Bank vorbei, die sich gut als erste Station eignet. Auf der Lehne ist ein schönes, kleines Schild des Bankspenders angebracht, mit vielen Buchstaben und vielen Zahlen und damit vielen Kombinationsmöglichkeiten für eine Berechnung der nächsten Station.
Wieder markieren wir die Position auf der Karte, wieder mitteln wir die Position und wieder vergleichen wir die Ergebnisse – alles ohne nennenswerte Unterschiede. Als Nächstes notieren wir, was auf dem kleinen Schildchen steht. Wir wollen nämlich erst einmal die verschiedenen Möglichkeiten festhalten und später entscheiden,welche Stationen und Aufgaben es geben und welche Strecke abgegangen werden soll.
Ein Stück weiter entdecken wir eine Kreuzung. Zunächst ist nichts Interessantes zu erkennen, aber dann bemerke ich ein Vogelhaus auf 03.00 Uhr, etwa 2,5 Meter über der Erde, mit einem «W» bedruckt. Dies könnte ein weiterer Hinweis sein. Schnell machen wir uns eine Notiz und biegen anschließend links ab. Dorthin soll dann mal der Hinweis führen. Was das für ein Hinweis sein wird, können wir uns später noch überlegen.
Wir gehen zwei Ecken weiter zu einem großen Grillplatz. Ja, und hier stoße ich auf das ideale Racheobjekt für all die frustrierenden «Finde-die-Anzahl»-Fragen, an denen ich mir auf den letzten Wanderungen die Zähne ausgebissen habe: vier Informationstafeln nebeneinander, alle einen mal einen Meter groß, geschrieben in Times New Roman zwölf Punkt, voller Informationen, Zahlen, Buchstaben und Erklärungen. Ich stehe davor und formuliere Aufgaben:
«Zähle die kleinen ‹e› auf den Tafeln mit Primzahlen, wenn du sie von rechts nach links durchnummerierst!»
«Ersetze sämtliche Buchstaben durch die Zahl der Stelle, die sie im gezählten Alphabet einnehmen, und multipliziere sie miteinander!»
«Gehe so viele Meter wie die Anzahl der Vokale in Richtung der Anzahl der Konsonanten, und suche im Umkreis die Anzahl der Satzzeichen in Höhe der Anzahl der Leerstellen der Texte aller Tafeln.»
Während mir vor lauter Vorfreude der Sabber übers Kinn läuft und ich mir ausmale, wie die verzweifelten Cacher auf dem Boden herumkriechen und weinen, dringe ich mit starrem Blick immer tiefer in die Informationstafeln ein. Da taucht Micha, den ich schon fast
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