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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hoëcker
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ausschließlich mit speziellem Wissen zu öffnen.
    Wir verlassen die ausgetretenen Pfade und stolpern durch das Unterholz. Dabei suchen wir hier nach einer Wurzel, dort nach einem Steinhaufen. Plötzlich ist es passiert. Ich betrachte gerade eine größere Buche direkt vor mir, da schweift mein Blick knapp am Baumstamm vorbei und erfasst einen Baum 20   Meter weiter in den Wald hinein. Als meine Augen sich der Entfernung angepasst und das Ziel fokussiert haben, sehe ich, dass er schön gewachsen und direkt über dem Boden mehrfach verästelt ist. Dieser Baum ist genau richtig, er bietet viele Versteckmöglichkeiten und liegt abseits des Weges.
    Wenn ich jetzt sage, dass es wirklich eine Eingebung war undirgendetwas Göttliches in der Luft gelegen haben muss, dann rede ich keinen Unsinn, denn in den Baum hat jemand «Allah» eingeritzt.
    Beseelt fahren wir nach Hause.
    DER SECHSTE TAG
    Drei Wochen später: Ich weiß – und werde von Micha auch immer wieder darauf hingewiesen   –, dass ich für die Organisation der Reflektoren verantwortlich bin. Dennoch unterstützt er mich nach Kräften. Er will mir sogar seinen Anhänger leihen, um sie zum Wald zu fahren, den kleinen, mit dem sonst immer die Rotoren der Windkraftanlagen durch Deutschland transportiert werden.
    Heute habe ich mich mal drangesetzt und mit der Sache angefangen. Sucht man ganz normal über Google nach Rückstrahlern, bekommt man lediglich Hinweise auf solche in Bärchenform mit lustigen Gesichtern oder Katzenaugen, die man zwischen die Fahrradspeichen klemmen kann. Nach einer Weile stoße ich im Deutschen Geocaching Forum auf ein paar Links, folge ihnen begeistert und informiere mich ausführlich. Leider handelt es sich vorwiegend um Angebote von Herstellern, die in erster Linie Großhändler und Firmen beliefern, die ganze Autobahnabschnitte mit weißen und roten Plastikscheiben versehen. Da bei allen Anbietern ein Mindestbestellwert gefordert ist, erscheint es mir fast billiger, 25   Fahrräder zu kaufen, die Katzenaugen abzuschrauben und die Resträder wegzuwerfen.
    Da ich aber seit einiger Zeit nur eine kleine Mülltonne habe und der nächste Sperrmülltermin noch eine ganze Weile hin ist, suche ich einfach weiter und werde tatsächlich nach einer halben Ewigkeit fündig:
    Eine Spezialfirma für ebensolche Produkte erläutert auf ihrerWebseite: «Die Produktreihe […] zeichnet sich aus durch höchste Reflexionswerte und Reichweiten. Die Reflektoren sind bestens geeignet für Lichtschranken der Automatisierungs-, Sicherheits- und Umweltmesstechnik. Unterschiedliche Formen, Abmessungen und Befestigungssysteme stehen dem Anwender zur Auswahl.»
    Eigentlich liefert auch dieser Anbieter ausschließlich an Großkunden, trotzdem rufe ich dort mal an. Der mich betreuende Sachbearbeiter ist sehr nett und meint, sie könnten für mich eine Ausnahme machen. Für die gewünschte Anzahl Reflektoren solle ich pauschal 50   Euro bezahlen, und alles sei gut.
    Ich sage, ich wolle kurz darüber nachdenken und zurückrufen. Ich lege auf, denke kurz darüber nach und rufe zurück. «Ich gehe auf Ihr Angebot ein. Allerdings habe ich noch einmal nachgerechnet und brauche zur Reserve die doppelte Menge. Sicher ist sicher.»
    «Kein Problem», kommt es zurück, «der Preis bleibt gleich.»
    Das ist nett, denke ich im ersten Moment. Doch dann dämmert es mir: Der hat mich vorhin über den Tisch gezogen. Aber als grenzenloser Optimist, der ich nun einmal bin, und in dem Wissen, dass sich unkooperatives Verhalten in einer sozialen Gruppe nicht auf Dauer durchsetzen kann, bin ich von Ersterem ausgegangen, also dass es nett war. 55 Jetzt warten die nur noch auf meine Bestellung, und wenn alles da ist, dann geht es ab in den Wald.
    DER SIEBTE TAG
    Fünf Tage später: Jippie. Der heutige Gang zum Briefkasten gehört zu den glücklichsten Momenten meines Lebens. Darin steckt nämlich eine Benachrichtigungskarte, dass ein Paket für mich angekommen sei. Selbstverständlich renne ich sofort und voller Vorfreude auf einen Haufen bunter, reflektierender Plastikkreise zur Post und nehme das Paket in Empfang. Mann, wie schön! Gut, es waren zwar nur die Pullover, die ich vorgestern im Internet bestellt habe, aber zur Abwechslung passten sie mal.
    DER ACHTE TAG
    Der Tag danach: Heute steht eine Kiste mit Reflektoren vor der Tür. Tja, so unspektakulär kann Vorfreude vergehen. Jetzt habe ich genug Rückstrahler, um die Leitpfosten der gesamten A7 notfalls neu auszustatten.
    DER

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