Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
und gehen rechts entlang, indem wir einem weiteren Forstweg folgen. Er verläuft jetzt eben, und schon nach 50 Metern bemerken wir neben uns einen Bachlauf. Das könnte die Stelle sein, wo wir die Suchenden hinschicken. Wir folgen einem kleinen Pfad, der direkt am Bach entlangführt. Hier könnte man weiße Reflektoren aufhängen, die den Weg weisen. Während wir so durch den Wald laufen und uns von der Natur inspirieren lassen, öffnet sich erneut der Himmel. Wieder ein Licht, ein Dornbusch brennt, ich falle auf die Knie und rufe: «Nenn mich …»
«Ja, was denn?», werde ich laut unterbrochen.
Dabei hatte ich gerade so eine gute Idee: Damit die Cacher nicht einfach nur den weißen Reflektoren folgen müssen, sollen sie unterwegs nach ein paar gelben suchen, die ein wenig abseits vom Weg hängen, und dort dann jeweils einen Hinweis sammeln. Anschließend sollen sie wieder den weißen Reflektoren folgen.
Schweigend gehen wir den schmalen Pfad entlang. Ich fange gerade an, mich darüber zu ärgern, dass wirklich alle Ideen von mir kommen und Micha nur am Herummeckern ist, da fängt erneut diese Himmelöffnungsgeschichte an: Wolken stieben auseinander, ein gleißendes Licht bündelt sich zum Strahl, senkt sich herab, und Micha ruft: «Nenn mich Gott!»
Die beiden Wanderer, die ähnlich zielstrebig wie wir durch diesen Wald wandern, stehen plötzlich hinter uns. Die Frau sagt: «Die Armen, es hat sie beide erwischt.»
Mit einem «Scheint ansteckend zu sein» nimmt ihr Mann sie bei der Hand, und sie gehen ihres Weges.
Dann formuliert Micha seine Idee: «Wir statten mehrere Wege mit Reflektoren aus, und zwar in verschiedenen Farben. Die Cachesucher wissen anfangs überhaupt nicht, wo sie hingehen müssen. Erst durch einen Hinweis, den sie irgendwo finden werden, bekommen sie einen Tipp, der ihnen dann helfen wird.»
«Super», sage ich, nehme den Zettel und male Linie Nummer vier darauf.
Ja, das ist wirklich gut, Reflektoren gefallen mir immer, und der Gedanke, die Cacher ganz sicher verzweifeln zu lassen, gibt mir einen Hauch Genugtuung. Aber es ist Michas Idee, deshalb kann ich sie unmöglich gutheißen. Also gebe ich mich unverständig und schlage vor: «Besser wäre es, wir statten mehrere Wege mit Reflektoren aus, und zwar in verschiedenen Farben. Die Cachesucher wissen anfangs überhaupt nicht, wo sie hingehen müssen. Erst durch einen Hinweis, den sie irgendwo finden werden, bekommen sie einen Tipp, der ihnen dann helfen wird.»
Damit treibe ich meinem Begleiter leider jedwede Form von Verzweiflung ins Gesicht. Mich für normal zu halten, ist jetzt keine Option mehr für ihn. Er überlegt kurz, ob er mich den beiden Wanderern mitgeben soll, entscheidet sich aber wohl anders und sagt nur: «Genau, so machen wir es!»
Wir gehen rechts einen steilen Pfad hoch, den Berg wieder nach oben und kommen endlich auf einem breiten Weg an. Gemeinsam überlegen wir, wie es weitergehen soll. Hier wollen wir die Sucher peilen lassen. Allein das vorgegebene Peilen ist schon kompliziert genug, das Peilen, ohne zu wissen, wohin, ist dementsprechend noch komplizierter. Also, man weiß natürlich wohin, hat aber keine Koordinaten, also … Ich sage ja: Es ist kompliziert.
Ich setze mich auf den Boden und wähle auf der topografischen Karte einen willkürlichen Punkt aus. Nun zücke ich Zirkel, Bleistiftund ein Lineal. Mit Hilfe dieses mathematischen Handwerkszeugs wende ich komplexe geometrische Regeln an und erhalte schließlich ein Ergebnis: 350 Meter, 32°.
«Na?», sage ich, an Micha gewandt.
Er lächelt und antwortet: «Stimmt!»
«Wie? Was? Woher ..?»
Ich springe auf, doch er zeigt nur auf sein Gerät und erklärt mir, dass er mit dem Fadenkreuz bloß über die abgebildete Karte fährt, einfach dorthin, wo wir die Cachesucher hinführen wollen. Unten auf dem Display stehen dann die Zahlen.
«Das weiß ich auch, aber ich wollte mich mal wieder mental trainieren!», sage ich und gehe 350 Meter in Richtung 32°.
Summend läuft er mir hinterher. Wie kann man nur am Leid anderer so viel Freude haben!
Als wir an der Stelle ankommen, sehen wir eine weitere Bank und beschließen, die Runde zu beenden. Von hier soll der Cachesucher dann den Final anvisieren. Wir machen uns in Richtung des nichtordnungswidrigkeitsahndbaren Stellplatzes auf und halten Ausschau nach einem passenden Versteck. Tief im Wald soll es sein, kaum zu finden, so gut wie gar nicht zu erreichen, nur mit Spezialgeräten zu heben und
Weitere Kostenlose Bücher