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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hoëcker
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dachten. Wir hoffen schon, er sei endlich da, als wir nicht weit von uns entfernt zwei Autoscheinwerfer bemerken, die ständig auf und ab wippen. Der Wagen fährt also einen unbefestigten Feldweg entlang. Das ist gut, denke ich, denn da muss man lang, um zu uns zu gelangen. Aber er fährt dann doch letztendlich an uns vorbei in eine andere Richtung, er muss sich auf einem parallelen Weg befinden. Wahrscheinlich ist es ein Pärchen, das sich ein wenig vergnügen will.
    Dann ruft auch schon Tobi an, er sei unterwegs, nur irgendwie in den falschen Feldweg eingebogen. Wir korrigieren seine Position und erklären ihm, wie er zu uns stoßen kann. Dann sehen wir die beiden Scheinwerfer den Feldweg zurückwackeln. Das Pärchen ist wohl fertig. Kurz darauf biegt das Pärchen ab, kommt auf uns zu, und – Tobi steigt aus.
    Gemeinsam beginnen wir mit den Vorbereitungen: Taschenlampen mit neuen Batterien versehen, festes Schuhwerk und lange Hosen anziehen, Pfefferspray in die Tasche stecken und, das ist bestimmt der aufregendste Moment, Tobi feierlich die Cachebeschreibung überreichen.
    Er setzt sich in das fahle Licht der Kofferraumbeleuchtung, und während wir ihn gebannt beobachten, beginnt er zu lesen. Das ängstliche Zittern beginnt an den Füßen, wandert das Bein hinauf, setzt sich bis zum Becken fort, ergreift Bauch und Brustbereich und erreicht schließlich die oberen Extremitäten wie Hände und Kopf. Als auch der Kofferraumdeckel zu wackeln anfängt, greifen wir ein.
    «Wir sind doch bei dir», sagt Micha.
    «Nur keine Angst!», sage ich.
    «Mir ist kalt», sagt Tobi.
    Rasch ziehen wir unsere Jacken an, und dann geht es los. Wieder klettern wir unter der Schranke hindurch und spazieren den breiten Waldweg entlang. Micha und ich bleiben dabei immer zwei Schritte hinter Tobi. Das ist wichtig, um ihm ja keine Hinweise zu geben, denn Neutralität ist die Grundvoraussetzung für einen objektiven Test. Es gibt keinerlei Hilfe, nicht mal unbewusst.
    Die erste Station findet Tobi sofort, der Baum mit dem Reflektor steht direkt am Wegesrand. Auch die von uns angebrachte Plakette bereitet ihm keinerlei Probleme. An der Stelle hat Micha die Koordinaten der nächsten Station eingraviert. Tobi überträgt die Werte auf sein GP S-Gerät , und schon steht er vor dem ersten Problem: Aufgrund der Schreibweise auf der Plakette kann man die Nord- und Ostkoordinaten verwechseln. Das entspricht ganz und gar nicht unserem Eindeutigkeitsanspruch. Zwar haben wir die Werte mit den Buchstaben «N» für «Nord» und «E» für «East» versehen, aber wenn man nur flüchtig drübersieht, wird es schwierig.
    Jetzt gibt es drei Lösungsmöglichkeiten:
    Erstens: Wir bringen den Hinweis eindeutiger an, was jedoch an unserer Lust scheitert.
    Zweitens: Wir programmieren das weltweite GP S-System um, sodass die Nord-Ost-Verwechslung automatisch herausgerechnet wird. Das scheitert daran, dass   … also das wäre einfach zu aufwendig.
    Bleibt noch drittens: Wir schreiben in die Cachebeschreibung hinein, dass man auf die Buchstaben achten soll.
    Lösungen können so einfach sein.
    Als Nächstes kommt unsere Gehe-von-A-nach-B-und-suche-den-Hinweis-Station. Die ist schon deutlich spannender. Die von uns als gerade Linie geplante Strecke wird durch Tobis Interpretation zu einer schneckenförmigen Parabelbahn, die mit rhombenkuboktaedrischen Variationen der Kreissegmentflächenberechnung zu Intervalllinien realisiertem Formenreichtum wechselt.
    Nachdem wir dreimal im Kreis gegangen und zweimal im Gestrüpphängen geblieben sind, beschließen wir, einfach stehenzubleiben, und grüßen Tobi jedes Mal neu, wenn er wieder an uns vorbeiläuft und leise vor sich hin murmelt: «Hä, hier war ich doch schon, aber   … na gut, da zeigt der Pfeil hin.»
    Plötzlich hören wir hinter uns ein «HIER» und antworten mit einem erlösten «Endlich».
    Tobi hat die Aufgabe tatsächlich gelöst und entdeckt neue (diesmal sogar eindeutige) Koordinaten. Jetzt geht es zur Finde-von-einem-Punkt-vier-Hinweise-Station. Die Aufgabe lautet : «Stelle dich auf dem freien Platz genau auf den markierten Baumstumpf (Spoilerbild) in der Nähe der Koordinate und suche die vier weißen Reflektoren. Finde den Reflektor mit der größten Zahl und stelle dich daneben.»
    Zuerst sind wir ganz begeistert, wir stehen auf unserem Baumstumpf und sehen sofort den ersten, den zweiten, den dritten und dann den vierten Reflektor. Wie schön das aussieht, alles hat genau so funktioniert, wie wir

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