Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Europäer mit einer anständigen Allgemeinbildung – das sollte also kein Problem sein. Wieso sollten wir uns schon vorab zu Hause damit beschäftigen?
Wir wollten die Startkoordinaten dieses Multicaches mit dem Navigationssystem unseres Autos anfahren. Dafür mussten wir natürlich erst mal eine Straße in der Nähe der Koordinaten finden.
Da ich keine Zahlen direkt eingeben kann, wollte Tobi das mit seinem GP S-Gerät erledigen. Er startete es, und während das Gerät erst einmal versuchte, seine aktuelle Position zu ermitteln, beschäftigte er sich schon mal mit den Fragen.
Es war lange still, dann hauchte er ein: «Die sind aber ganz schön schwer …»
Ich entgegnete: «Ach was, stell dich nicht so an!»
Daraufhin fragte er: «Okay, wie viele Forint bekommt man in Ungarn für 100 Filler?»
Ich konnte zwar mit der Hauptstadt von Ungarn kontern, aber ansonsten musste ich mich jetzt wirklich auf den Verkehrkonzentrieren. Zudem ärgerte ich mich darüber, dass ich wieder mal alles alleine machen musste.
Zum Glück hatten wir das komplette Hightech-Equipment dabei: Laptop und UMT S-Karte , und schon war Tobi im Internet. Sehr viel später kam er wieder zurück, sah etwas zerzaust aus und war wohl irgendwie erfolglos gewesen. Dafür wusste er jetzt, dass die durchschnittliche Gesamtwasserentnahme pro Kopf in Ungarn bei etwa 550 Kubikmetern pro Jahr lag oder bei 1500 Litern pro Tag, was ungefähr dem doppelten der Werte von Polen, Rumänien oder Tschechien entsprach und leicht über dem Verbrauch in Deutschland mit 500 Kubikmetern pro Person und Jahr lag.
In der Zwischenzeit war sein GP S-Empfänger nicht untätig gewesen und hatte seine und damit bis auf eineinhalb Meter auch meine Position gefunden und die Entfernung zum Startpunkt angegeben: 1,5 Kilometer. Das war zu schön, um wahr zu sein, wären wir nicht just in diesem Augenblick an der Ausfahrt vorbeigerauscht. Die Zeit schien für einen Moment stehenzubleiben, und während dieser große blaue Pfeil mit den weißen Buchstaben fast schon Schlieren ziehend an unserer Seitenscheibe vorbeizog und wir die Köpfe langsam drehten, während ein langgezogenes «Ssssssccccccchhhhhhheeeeiiiiißßßeeeee» unseren Mündern entfuhr, stockte vor uns der Verkehr, und wir wären fast, ja FAST, in das Stauende hineingefahren. Aber kein Problem, die nächste Ausfahrt kam bestimmt, und genau so war es – nach 14 Kilometern …
Wir nutzten die Zeit so gut es ging und versuchten weitere Fragen zu lösen. «An welchem Fluss (deutsche Schreibweise) liegt die polnische Stadt Grudziadz? Gesucht ist die Anzahl der Buchstaben!» , oder: «Aus wie vielen Inseln besteht die Republik Malta? (Bitte nur die großen ab drei Quadratkilometer zählen.)»
Wir hatten keine Ahnung und versuchten uns im Internet einen Überblick zu verschaffen. Leider gelang es uns nicht, weil wir uns genau auf den 14 Kilometern der Autobahn befanden, die zur netzfreien Zone gehören, was in der Werbung immer ganz unten hinter dem kleinen Sternchen steht. Irgendwann schafften wir es dann doch. Nicht dass wir die Fragen beantwortet oder dass wir ein Netz gefunden hätten. Wir waren von der Autobahn runter … Und wir waren frohen Mutes, denn allmählich näherten wir uns unserem Ziel, dem Mittelpunkt Europas. Zwar nicht mehr von oben, denn das lag ja schon lange hinter uns, sondern von unten. 76 Obwohl mir klar war, dass wir letztendlich ebendiesen Mittelpunkt suchten, wunderte ich mich, warum Tobi auf einmal so böse guckte. Ich hatte doch gar nichts gemacht, außer stark gebremst. Dabei war er wohl mit dem Gesicht zwischen Windschutzscheibe, Laptop und Armaturenbrett gelangt und war zur Bewegungslosigkeit verdammt.
Aber ich hatte das tun müssen, denn wir waren genau dort vorbeigefahren, wo wir hinwollten. Ein großer Metallbogen mit Sternen und einem stilisierten «EU» zeigte den Ort, den es eigentlich erst noch zu suchen galt. Tobi würgte sich ein «Respekt»heraus, und ich befreite ihn dafür aus seiner misslichen Lage. Wir waren uns sicher, dass der Cache hier irgendwo liegen musste. Also stiegen wir aus und durchkämmten das Gelände. Wir liefen um das Denkmal herum, durchsuchten die schön angelegten kleinen Blumenbeete, schauten unter den Bänken nach und hoben die Steine beiseite, die die Straße begrenzten. Währenddessen wunderten wir uns noch über den Cache-Owner.
«Warum hat er eine so offensichtliche Stelle gewählt?», fragte Tobi.
«Wie?»
«Ich
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