Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
meine, wenn er uns zum Mittelpunkt Europas führen will und das Ganze auch noch, huihuihui, spannend sein soll, warum ist das dann so ein großes Denkmal?»
«Keine Ahnung!»
«Wir kommen auch noch direkt daran vorbei, wenn wir auf dem Weg zum Startpunkt sind.»
«Na ja, vielleicht, also, nun ja, denk mal nach, es kann doch sein, also wirklich, manchmal …», versuchte ich ihn zu überzeugen.
Wir sprachen weiter darüber, und so verging die Zeit, und wir suchten noch immer. Langsam wurden wir leiser, bis wir schließlich ganz verstummten. Wir beschlossen, noch einmal die Cachebeschreibung zu lesen. Wir gingen zum Auto, und ich las vor: «Das Denkmal zu diesem Punkt liegt übrigens an einem ganz anderen Ort, wo es verkehrsgünstig besser zu erreichen ist.»
Tja, gut. Lesen. Warum auch! Ist ja ein Hobby, da darf man auch Spaß haben, und das Denkmal sah wirklich toll aus, auch wenn der eigentliche Punkt, an den man denken sollte, ganz woanders lag. Wir setzten uns ins Auto und beschlossen, die Fragen, die noch immer unbeantwortet waren, jetzt endlich mal ernsthaft zu lösen. Vielleicht waren sie ja doch nötig. Zujeder Frage bekam man einen Wert, dem man einen Buchstaben zuordnen sollte. Schließlich sollten wir zu N 50° 31.cde; O 07° 35.hik. Außerdem hatten wir hier endlich ein Netz und somit eine Internetverbindung, und eine Pause nach der anstrengenden Sucherei war auch nicht zu verachten.
Während wir suchten und sich die Seiten Pixel für Pixel aufbauten, weil wir zwar ein Netz hatten, aber von dem Wort «Balken» hier nicht wirklich die Rede sein kann, warf ich noch einen Blick auf die ausgedruckte Cachebeschreibung. Plötzlich sprang mir ein Satz ins Auge, den wir bisher wohl übersehen hatten: «Wer den Artikel gelesen hat, kann sich vielleicht noch an die
Koordinaten erinnern, dann spart ihr euch die Fragen …» Ar tikel, Zeitung …
Ich las Tobi den Satz vor. Wir blickten uns an, nickten, beugten die Köpfe über den Laptop, hämmerten die Suchanfrage über den Artikel zum Nabel der EU in die Suchmaschine ein, und schwups, fünf Minuten später hatten wir das Ergebnis. Klare, in Zahlen formulierte Koordinaten. Das war er, der Mittelpunkt der Erde, über den die Zeitung berichtet hatte. Sofort gaben wir sie ins GP S-Gerät ein und waren auch schon unterwegs. Von einem Wanderparkplatz etwa drei Kilometer weiter ging es dann los. Über die Hauptstraße gelangten wir direkt in den Wald, wo wir einen Forstweg einschlugen. Während wir so durch den lichten Wald spazierten und die frische Luft genossen, wunderten wir uns erneut über den Cacheleger: Warum hatte er die Fragen gestellt, wenn man die Koordinaten auch direkt finden konnte? Wieso verriet er das auch noch? Warum stand da: «Die Fragen e, f und h sollten auf jeden Fall beantwortet werden.» Wir ahnten es beide, wollten uns aber keine Blöße vor dem anderen geben und beschallten den Wald mit einem lauten, künstlichen Lachen. Allmählich näherten wir uns dem Ziel. Genau genommen näherten wir uns zwei verschiedenen Zielen, da Tobis und meinGerät zwei 100 Meter voneinander entfernt liegende Punkte als Ziel angaben.
Wie immer war ich es wieder, der die Station finden musste.
Ich rief laut in den Wald hinein: «HIER!»
Er antwortete: «JA, ich bin HIER!»
«NEIN!», rief ich. «HIER!»
«WIESO?», kam es zurück. «ICH BIN HIER!»
«NEIN!»
«DOCH!»
«ICH HAB IHN!»
Stille.
Es hörte sich an wie ein aus dem Nebel aas? Motorboot, als er mit einem lauten ««Waaaaaas?» aus weiter Entfernung durch das Unterholz auf mich zustürmte. Die Ungläubigkeit in seiner Miene kann wohl nur ein Cacher verstehen, der wie er auch jetzt noch daran zweifelte, dass ich wieder mal fündig geworden war. Ich lächelte nur und schwieg. Er hatte eben nur ein Garmin und ich ein Magellan … Aber als guter Cacher hat man ja eine soziale Ader, deshalb informierte ich ihn auch über den Fund.
Diese Station war sehr schön gemacht: Irgendwie hatte der Owner es geschafft, mitten im Wald ein Loch in einen Baumstumpf zu bohren, gleichzeitig aber den oberen Teil als Deckel zu erhalten. Ich habe das in der Zwischenzeit mehrfach nachzumachen versucht, es aber nie geschafft. Allerdings musste ich meine Experimente einstellen, als das Umweltamt der Stadt Bonn damit drohte, mich zu verhaften, falls ich auch noch die andere Rheinseite entwaldete.
An diesem Holzdeckel war eine Filmdose befestigt, und darin eingerollt lag der Zettel mit den
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