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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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herein!«, sagte der Perser. »Mein Haus sei dein Haus!«
    Mina folgte ihm durch spärlich, aber edel eingerichtete Räume in einen schattigen Innenhof.
    »Mein Lieblingsplatz«, sagte er. »Kann ich dir etwas anbieten?«
    »Nur eine Auskunft«, sagte sie und übersah seine Geste, obwohl die Sitzmöbel unter dem Granatapfelbaum sehr einladend wirkten. »Nichts weiter!«
    Er nickte, ließ sie dabei nicht aus den Augen.
    »Ich muss den Satrapen sprechen«, sagte Mina, »in einer dringenden persönlichen Angelegenheit. Wie stelle ich das an?«
    Im Gegenlicht erschienen ihr seine Augen noch leuchtender blau als bisher.
    »In welcher Angelegenheit, wenn ich fragen darf?«
    »Das würde ich ihm am liebsten selber sagen.«
    »Du willst mir also nicht verraten, worum es geht?«, fragte er.
    »Besser nicht. Ich möchte niemanden unnötigerweise mit hineinziehen.«
    Er schien zu überlegen, dann hellte seine Miene sich auf.
    »Es wird nicht leicht sein«, sagte er, »aber möglich ist es. Zum Glück ist unser Kontakt verhältnismäßig eng.«
    »Es ist eilig«, sagte Mina. »Leider. Das musst du auch noch wissen.«
    »Versprechen kann ich nichts. Versuchen alles.« Er lächelte. »Bedaure. So sind nun mal die Sitten.«
    »Und wie erfahre ich, wie weit du gekommen bist?«
    »Ich weiß, wo man dich findet«, sagte er. »Oder sollte sich daran etwas geändert haben?«
    »Nein«, sagte Mina. »Vorausgesetzt, man läuft nicht vor der Zeit davon.« Sie wickelte die Münze aus ihrem Saum.
    »Mein zweites Anliegen«, sagte sie. »Hier!«
    Er rührte keine Hand.
    »Ich kann sie nicht annehmen.« In ihrem Kopf begann es zu schwirren, als hätte sich ein Schwarm Fliegen selbstständig gemacht. »Nicht so! Nicht auf diese Weise.«
    Er erstarrte, nicht unähnlich, wie vor ihm bereits Senmut erstarrt war.
    »Sie ist ein Geschenk.« Seine Stimme hatte jede Wärme verloren. »Und Geschenke zurückzuweisen gilt in meiner Heimat als schlimme Beleidigung.«
    »Ein Geschenk, das man in den Staub wirft wie Abfall - ist das keine Beleidigung?«
    Er senkte als Erster den Blick.
    »Du hast recht«, sagte er. »Mein Verhalten war alles andere als höflich. Ich habe deine Kunst verletzt. Ich muss dich um Verzeihung bitten.«
    »Gewährt«, sagte Mina. »Vorausgesetzt, du machst es künftig anders. Und was meine Kunst betrifft - für mich ist Erzählen ein Handwerk oder wie das Bestellen eines Feldes. Allerdings: mein Saatkorn ist unsichtbar, braucht weder Erde noch Wasser, um zu sprießen, sondern allein die Herzen der Menschen, um seine Pracht zu entfalten.«
    »Wirst du sie annehmen - trotzdem?« Er schluckte. »Ich glaube, ich habe deine Lektion verstanden.«
    »Nur, wenn du auch den Gegenwert akzeptierst«, sagte sie.
    »Aber ist es dazu nicht bereits zu spät? Ich meine, dein Märchen … ist es nicht längst beendet?«
    »Du hast ausnahmsweise Glück gehabt«, sagte Mina und fühlte sich so leicht, so schwerelos wie seit Langem nicht mehr. »Morgen gegen Mittag kannst du die Fortsetzung hören. Du wirst doch kommen?« Sie war überrascht, wie wichtig dies für sie war.
    »Wenn es mir irgend möglich ist«, sagte er, »werde ich da sein.«
    Wieder schwiegen sie eine ganze Weile.
    »Ich weiß noch nicht einmal deinen Namen«, sagte sie.
    »Aber ich den deinen. Du bist Mina, die Geschichtenerzählerin«, sagte er rasch.
    »Und du? Wer bist du?«
    »Numi, Salben- und Parfümhändler aus Susa«, sagte er. »Und, Ahura Mazda stehe mir bei, ich vermisse meine Heimat jeden Tag mehr.«

    Bastet lag vor dem Bett auf dem Rücken, als sie das Schlafzimmer betrat, die Beine weit von sich gestreckt.
    Mina freute sich so sehr, dass sie sich vor Aufregung verschluckte.
    »Scheinst dich ja schon richtig bei mir zu Hause zu fühlen«, sagte sie. »Sogar Iset hast du inzwischen um deine Pfote gewickelt. Oder denkst du vielleicht, ich wüsste nicht ganz genau, wo der Rest unseres Mittagessens gelandet ist?«
    Sie beugte sich tiefer hinab, ohne die Katze zu berühren.
    »Genau hier nämlich«, sagte sie. »In diesem wunderschönen, goldfarbenen Bauch.«
    Bastet musterte sie unverwandt. Die Schwanzspitze begann zu zucken.
    »Ich könnte dich jetzt streicheln«, sagte Mina. »Und glaube bloß nicht, dass ich nicht die allergrößte Lust dazu hätte! Aber ich lass mich trotzdem nicht dazu hinreißen, sonst bekomm ich wieder deine Krallen zu spüren - ich kenn dich nämlich. Ich werde warten, Bastet, bis du zu mir kommst. Hoffentlich dauert es nicht mehr allzu lange!

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