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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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deinen Kopf - und die Herzen der Menschen.«
    Tränen stiegen ihr in die Augen, während sie weiterstapfte, grimmig und entschlossen, als könnten ihre Füße Rahoteps hässliche Worte in den Staub treten. Aber sie würde jetzt nicht weinen, nicht bevor sie endlich diesen Benia gesprochen hatte. Und wenn sie zehnmal zu früh dran war - unter einem Vorwand musste es ja möglich sein, sich mit ihm zu unterhalten.
    Wenn ihr nichts einfiel, wem dann? Mina warf den Kopf in den Nacken und schluckte die Tränen hinunter.
    Den Menschenauflauf vor dem Speicher sah sie schon, als sie noch ein ganzes Stück entfernt war. Und noch etwas fiel ihr auf: Trauer und Ratlosigkeit, die wie eine dunkle Wolke über den Versammelten zu liegen schienen. Beim Näherkommen konnte sie die Getreidearbeiter mit ihren bloßen Oberkörpern, die vom jahrelangen Schaufeln die goldgelbe Farbe von Weizen und Emmer angenommen hatten, von den anderen unterscheiden: Passanten, Halbwüchsige, einige Frauen, die alle aufgeregt aufeinander einredeten.
    Sie entdeckte sogar zwei junge Polizisten, die wie die Priester den Schädel glatt rasiert trugen. Den einen kannte sie, auch wenn ihr sein Name gerade nicht in den Sinn kam.
    »Ist etwas passiert?«, fragte sie ihn.
    Er musterte sie flüchtig, schien ebenfalls nicht mehr genau zu wissen, wer sie war.
    »Allerdings«, sagte er. »Wir haben einen Toten zu beklagen.«
    Minas dumpfes Gefühl verstärkte sich. Wenn es eine Farbe dafür gegeben hätte, dann ein stumpfes, alles verschlingendes Rot.
    »Benia?«
    Jetzt war sein Interesse erwacht. »Kennst du ihn?« Neugierig starrte er sie an.
    »Nein«, sagte Mina. »Nur seine Großmutter. Sie hat mir von ihm erzählt.«
    »Aber woher wusstest du …«
    »Ich wusste gar nichts«, sagte sie schnell. »Es war lediglich eine Vermutung, nichts weiter.« Vielleicht war es nicht sonderlich klug, aber sie musste weiterfragen, sie musste einfach! »Wie ist er ums Leben gekommen?«
    »Kein schöner Tod«, sagte der junge Polizist. »Er muss qualvoll erstickt sein. Wir haben lauter Getreide in seinem Mund gefunden. Er ist buchstäblich im Emmer ertrunken, wenn du so willst.«
    »Ein Unfall?«
    »Sieht nicht danach aus. Wir haben ein angesägtes Brett entdeckt. Da dürfte jemand kräftig nachgeholfen haben.« Sein Misstrauen war noch immer nicht ganz besänftigt. »Hast du vielleicht weitere Angaben dazu zu machen?«, fragte er. »Du weißt, dass du uns die Wahrheit sagen musst.«
    Mina begann fieberhaft zu überlegen. Er sah wach aus und wirkte interessiert. Sollte sie die verschwundenen Katzen erwähnen? Aber was bedeuteten diese unbewiesenen Mutmaßungen schon angesichts des Schrecklichen, das hier vor Kurzem geschehen war? Und brachte sie damit vielleicht nicht auch die Großmutter in Schwierigkeiten, von der sie nicht einmal den Namen wusste?
    »Ich fürchte, ich kann euch nicht helfen«, sagte sie schließlich. »Ich hab diesen Benia noch nie gesehen. Es tut mir sehr leid, was ihm zugestoßen ist.«
    Sein Kollege rief etwas zu ihm herüber.
    »Vielleicht fällt dir ja doch noch etwas ein«, sagte der junge Polizist, schon halb im Gehen. »Du bist doch Mina, die Frau, die auf dem Markt die Märchen erzählt.«
    »Das bin ich.«
    »Unsere Wache liegt hinter dem Tempel. Frag dort nach Rechmire, wenn du mich sprechen willst. Dann wird man dich zu mir bringen.«
    Sie trat ein Stück zur Seite, machte Platz für die Bahre, die zwei Männer gerade brachten. Sie verschwanden mit dieser im Speicher, während die Leute draußen weiterhin ihre Vermutungen anstellten.
    »Vielleicht ist ihm schwindelig geworden in der Hitze, und er ist einfach kopfüber gestürzt.«
    »Oder er hat einen Rivalen gehabt«, sagte eine Frau.
    »Das kommt immer wieder vor. Und der hat auf eine günstige Gelegenheit gewartet, um sich zu rächen.«
    »Möglicherweise war er einfach nur unvorsichtig. Man weiß ja, wie diese jungen Kerle so sind.«
    Die Menge machte widerwillig Platz, als die Bahre herausgetragen wurde. Mina gelang es, einen Blick auf den Toten zu werfen, den mit einem Tuch zu bedecken sich niemand die Mühe gemacht hatte.
    Lange, magere Glieder. Die Brust unbehaart. Ein dunkler, glatter Schopf, auf dem Getreidestaub wie feiner Goldbelag schimmerte.
    Ein Junge, dachte sie, beinahe ein Kind, noch lange kein Mann!
    Sein Gesicht war schmerzerfüllt, als sei er mitten im Kampf gestorben. Die rechte Augenhöhle war leer. Das linke Auge weit aufgerissen, als sehe es noch immer das Schreckliche,

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