Auge um Auge
drei- oder vierhundert Meter von hier entfernt, würde ich sagen. Wenn wir da warten, erwischen wir ihn entweder, wenn er gerade losgelaufen ist, oder wenn er zurückkommt. Auf geht’s.«
Bell drehte sich um und führte Casey kaltblütig, ruhig und ohne jede Emotion durchs Schilf.
Jack Cazalet, Clancy und Murchison liefen inzwischen rasch durch den heftigen Regen. Der Präsident genoss jeden Augenblick. Wie er gern sagte, wusch das Laufen die Jahre hinweg, und angesichts des Zustands, in dem die Welt sich befand, hatte er das dringend nötig.
Murchison folgte ihm auf dem Fuße. Clancy, der fünf Meter hinter ihm war, blieb auf einer alten, überdachten Holzbrücke stehen, die vorübergehend Schutz vor dem Regen bot.
»Alles in Ordnung, Mr. President?«, fragte Clancy.
»Absolut. Das Übliche, bitte.«
Clancy zog eine Packung Marlboro aus der Tasche, steckte zwei Zigaretten an und gab eine Cazalet, der sie nahm und genussvoll inhalierte.
»Lassen Sie sich damit bloß nicht von irgendwelchen Pressefotografen erwischen, Mr. President.«
»Nun, eine Schwäche kann ich mir ja wohl erlauben. Schließlich habe ich mit Hilfe dieser Dinger den Vietnamkrieg überstanden – und Sie den Golfkrieg.«
»Wie wahr«, stimmte Clancy bei.
Die beiden rauchten in kameradschaftlichem Schweigen, dann traten sie ihre Kippen aus. »Weiter geht’s«, sagte Cazalet, trat in den Regen und begann wieder zu laufen.
Im Schilf neben dem Hauptweg verborgen, sah Bell sie kommen. Laut flüsternd nahm er Kontakt zu Casey auf, der auf der anderen Seite wartete.
»Da sind sie. Mach dich bereit. Du übernimmst den Geheimdienstler, ich den Präsidenten. Und werd bloß nicht nervös. Lass dir Zeit.«
Er wartete. Es war nicht nötig, aus der Distanz zu schießen, wenn man das praktisch aus kürzester Entfernung tun konnte. Er hob das AK an die Schulter, während Cazalet direkt auf ihn zulief.
Doch wie Bell Kate Rashid erklärt hatte, können selbst die genialsten Pläne scheitern. Er hatte alles akribisch ausgearbeitet und alle Eventualitäten vorhergesehen – abgesehen vom Instinkt eines Jagdhundes namens Murchison. Mit jener besonderen Fähigkeit, die nur Hunden zu Eigen ist, spürte dieser, dass etwas nicht in Ordnung war. Er schoss los wie eine Rakete und stürzte sich ins Schilf auf der anderen Seite des Weges.
Casey taumelte heraus, damit beschäftigt, Murchison loszuwerden, der ihn am linken Knöchel gepackt hatte. Sein Sturmgewehr ging los.
In etwa fünfundzwanzig Metern Entfernung blieb Jack Cazalet stehen. Aidan Bell verharrte in der Deckung und zielte, doch Clancy Smith reagierte schnell. Im selben Augenblick stieß er den Präsidenten zur Seite. Die Kugel, die für Cazalet gedacht war, durchschlug seine rechte Schulter.
Clancy taumelte, ohne den Überblick zu verlieren.
»In Deckung, Mr. President!«, brüllte er und drückte Cazalet in den Schutz des Schilfrohrs.
Cazalet stieß einen gellenden Pfiff aus, und wenige Sekunden später war Murchison bei den beiden. Aus dem Loch in Smiths gelber Öljacke strömte Blut.
»Ist es schlimm?«, fragte Cazalet.
»Das wird schon wieder. Aber Sie sollten das Ding hier nehmen, Mr. President.« Er gab Cazalet den Browning.
Bell rief leise über den Weg: »Bleib in Deckung, Liam!« Dann gab er mehrere Schüsse in die Richtung ab, in der Clancy Smith und Cazalet verschwunden waren.
Clancy nahm bereits Kontakt mit dem Haus auf, während Cazalet das Feuer zweimal erwiderte.
In der Kommunikationszentrale saß Blake Johnson neben Harper und arbeitete eine Reihe von Nachrichten ab, als in den Lautsprechern knisternd die Stimme von Clancy mit den schockierenden Worten ertönte: »Blake! Wolkenbruch! Wolkenbruch!« Im selben Augenblick hörte man das Geräusch von Schüssen.
Blake griff nach dem Mikrofon. »Wo seid ihr?«
»Auf halber Höhe des Hauptwegs. Ich bin verwundet, aber der Präsident ist okay. Er erwidert das Feuer.«
»Bin schon unterwegs.« Blake blickte Harper an. »Geben Sie mir Ihre Waffe. Sie wissen, was Sie zu tun haben.«
Mit verstörtem Gesicht reichte Harper ihm eine Beretta. Blake schob sie in seine rechte Hosentasche und rannte hinaus auf die Veranda und weiter zur Scheune. Sekunden später kam er auf der Montesa wieder zum Vorschein und raste schlingernd den Feldweg entlang.
Clancy und der Präsident, die durchs Schilfrohr lugten, sahen ihn kommen, als er noch ein gutes Stück weit entfernt
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