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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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zu Diensten. Eigentlich hätte ich Sie gerne durch die ganze Firma geführt, jetzt bleibt mir nur Zeit, Ihnen zu zeigen, wo Sie künftig arbeiten werden.«
    Ich muss verblüfft geschaut haben, denn Herr Hosseinzad lächelte freundlich und amüsiert zugleich. Dass ich ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre, weil mir meine Stelle nun wohl doch sicher war, hatte er mir vermutlich nicht angesehen, als er mich durch die Montageabteilung führte, in der überwiegend Männer arbeiteten.
    Hier würde ich also künftig eingesetzt, um Platinen für Blutsauerstoff-Messgeräte zu bestücken, die in dieser Firma produziert wurden und in der Intensiv- und Rettungsmedizin Anwendung fanden. Ich hoffte nur inständig, dass ich mich als Neue nicht allzu ungeschickt anstellen würde, denn mir wurde schnell klar, wie gerne ich für eine längere Zeit in einer solchen Firma arbeiten würde. Und zwar ganz abgesehen von der Aussicht auf das reichliche Frühstück, das der Betrieb seiner Belegschaft bot. Mansureh hatte gleich zu Anfang davon geschwärmt: Fladenbrot, Schafskäse, saftige Kräuter, Basilikum, Minze, Koriander, Radieschen … Und wer lieber Süßes aß, für den standen Honig, Marmelade, Gebäck und Tee bereit. Aber für das entspannte Arbeitsklima sorgte nicht nur der leckere Einstieg in den Tag, sondern vor allem der respektvolle, ungezwungene Umgangston, der uns zu gleichberechtigten Kollegen machte.
    Meine drei Monate Probezeit waren bald um, und ich hatte Angst davor, nicht übernommen zu werden. Dass ich mich in dem Betrieb gut aufgehoben fühlte, hieß nicht zwangsläufig, dass man mich auch übernehmen würde. Dieser Job bedeutete mir so viel, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Gelübde ablegte: Wenn ich die Stelle bekäme, würde ich ans Grab der heiligen Zainab gehen, der Enkelin des Propheten Mohammed. Ich würde dem Wächter des Mausoleums Geld geben, damit er ein Segensgebet sprach. Und ich würde ihr zu Ehren ein Sofreh ausbreiten, ein Tischtuch, und würde den Tisch für sie decken, indem ich Nachbarn, vielleicht auch Passanten vor unserem Haus, reichlich Brot, Schafskäse und frische Kräuter spendierte.
    Als der Personalchef mich schließlich in sein Büro rief, war ich zunächst ratlos. Was wollte er von mir? Gab es vielleicht Beanstandungen? Ging es um meine Entlassung? Oder vielleicht doch um einen festen Arbeitsvertrag? Meine Hände zitterten, als ich Herrn Erschadmaneschs Büro betrat.
    »Salam, Frau Bahrami, ich hoffe, Sie sind wohlauf.« Hatte er vielleicht bemerkt, wie nervös ich war?
    »Ja, danke, Sie hoffentlich ebenfalls?«
    »Ich denke, in den drei Monaten hier bei uns haben Sie sich recht gut geschlagen – und gratuliere Ihnen zu Ihrem ersten Arbeitsvertrag.«
    Ich hätte meine Freude und meine tiefe Dankbarkeit am liebsten herausgeschrien. Doch ich hielt an mich, nahm den Vertrag entgegen – »Gott im Himmel, du hast mich erhört!« – und bedankte mich höflich. Nun würde ich auf der Stelle mein Gelübde einlösen, würde das frischeste Brot kaufen, den besten Käse, die saftigsten Kräuter …
    »Besprechen Sie den Vertrag auch mit Ihren Eltern.« Der Personalchef riss mich aus meiner Träumerei und lächelte – wohl weil er sah, welche große Freude er mir mit diesem Dokument gemacht hatte. Wie alle offiziellen Schreiben der islamischen Republik war der Vertrag »Behnam-e khoda«, im Namen Gottes, verfasst, und ich hatte – niemals wieder stärker als in jenem Moment – das Gefühl, dass der Herr im Himmel hier tatsächlich die Feder geführt hatte.
    An den Stolz meiner Eltern über meinen ersten Arbeitsvertrag werde ich mich ewig erinnern. Meine Mutter hat ihn bis heute aufgehoben. Ich verschwieg meinem Vater, dass ich in meinem ersten Job mehr verdiente als er während seiner Zeit im Verteidigungsministerium, denn das war in diesem Augenblick zweitrangig. Ich konnte mit meinen neunzehn Jahren zum Einkommen der Familie beitragen, und das allein zählte damals.
    Inzwischen war es Frühling geworden. Meine Platinen waren von Tag zu Tag schneller bestückt. Alles lief bestens. Zu meinem Glück fehlte mir jetzt nur noch der Studienplatz an der Freien Universität.
    Meine Familie zog unterdessen in eine preiswertere Wohnung um, und die Firma gewährte mir sogar einen kleinen Vorschuss für die Umzugskosten. Nur wenige Tage nach unserem Umzug bat mich der Personalchef in sein Büro. Sofort begann ich wieder zu grübeln, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Wollte er vielleicht

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