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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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Großeltern fahren. Da käme ich bestimmt auf andere Gedanken und würde den Kopf wieder freibekommen, um im folgenden Jahr die Aufnahmeprüfung zu wiederholen. Ich fuhr also zu meinen Großeltern, wo ich es jedoch nicht sehr lange aushielt, weil ich mich kaum aus dem Haus bewegen konnte, um nicht zufälligerweise Amir oder einem seiner Freunde über den Weg zu laufen.
    Nach ein paar Tagen kehrte ich zurück nach Hause und wollte mich fortan gemeinsam mit Mardschan auf die Vorbereitungen für ein Studium an der Freien Universität Teheran konzentrieren. Um das Studium überhaupt finanzieren zu können, mussten wir auf Jobsuche gehen und parallel dazu für die Aufnahmeprüfung in Elektronik lernen. Wir wollten möglichst eine Arbeit finden, die sich zeitlich, vor allem aber inhaltlich mit unserem Studium vereinbaren ließ – also eine Stelle im Bereich Elektronik oder Elektrotechnik.
    Mein Schwager Said hatte uns zwar angeboten, in seiner Werbefirma zu arbeiten, doch ich wollte lieber aus eigener Kraft eine Stelle finden. Dass die Suche so absonderlich werden würde, hätten Mardschan und ich uns allerdings nicht gedacht.
    Wir sprachen in einer Teheraner Produktionsfirma vor. Riesige Räume, alle menschenleer, und eine wortkarge Sekretärin, die uns in ihrem Büro im vierten Stock empfing. Es war eine bedrückend stille und seltsame Atmosphäre, als wir da vor ihrem Schreibtisch standen. »Haben Sie Betriebsferien?«
    »Nein, wieso fragen Sie?«
    »Produzieren Sie hier rund um die Uhr?«
    »Selbstverständlich. Sowohl für den heimischen als auch für den internationalen Markt.«
    Die Sache kam uns merkwürdig vor. Wir wollten schon wieder nach Hause gehen, als endlich doch ein älterer Herr auftauchte, der – nachlässig rasiert, mit schlechten Zähnen und in ungebügeltem Hemd – nicht eben unserer Vorstellung eines Firmenchefs entsprach.
    »Wie hübsch Sie sind«, stellte er schon bei der Begrüßung fest. Sofort war unser Misstrauen geweckt, und wir schauten uns von der Seite her mit hochgezogenen Brauen an.
    »Und Sie wollen tatsächlich hier arbeiten?«, fragte er, während er sich über seinen Dreitagebart fuhr.
    »Für Sie gäbe es doch ganz andere Möglichkeiten, wenn Sie nicht gleich heiraten wollen …«
    »Nichts wie raus hier!«, flüsterte ich Mardschan zu, die noch weiter mit dem Mann verhandeln wollte – wohl weil sie dieses sogenannte Vorstellungsgespräch nicht abrupt und unhöflich beenden wollte.
    Ich drängte: »Mardschan, bitte, wir haben noch einen anderen Termin, lass uns nicht zu spät kommen!« Wir hasteten die Treppen hinunter und wollten auf keinen Fall im Aufzug stecken bleiben, mit dem wir vor wenigen Minuten hinauf in die Höhle dieses Löwen gefahren waren.
    Nach diesem Schrecken spielte Mardschan ernsthaft mit dem Gedanken, sich weitere Erniedrigungen dieser Art zu ersparen. Sie dachte darüber nach, preiswert an einer staatlichen Universität möglicherweise etwas ganz anderes zu studieren und dort – vielleicht schon bald – den passenden Mann zu finden. Jedenfalls legte sie das Thema Studieren zunächst einmal ad acta. Ich gönnte Mardschan eine Pause, rief meine Schulfreundin und künftige Kommilitonin Mansureh an und schlug ihr vor, mit mir gemeinsam nach Arbeit zu suchen. Zunächst studierten wir die Stellenanzeigen in der Zeitung der Vorwoche, die Mansureh aufgehoben hatte. Und tatsächlich: Sazegan-Gostar, ein Hersteller medizinischer Geräte, suchte junge Mitarbeiter. Wir waren uns ziemlich sicher, dass sämtliche Stellen inzwischen vergeben sein würden, machten uns aber dennoch auf den Weg.
    Mansureh hatte sich vorsorglich brav in ihren Tschador gehüllt, trug dunkle Strümpfe, geschlossene Schuhe dazu, während ich bei meinem Stil bleiben wollte und wie sonst auch meinen hellen, knapp knielangen Mantel trug, dazu ein helles Kopftuch – nachlässig gebunden. Und ich ging barfuß in meinen Sandalen, verbarg also meine lackierten Fußnägel nicht. In manchen Gegenden Teherans reichten kleine Sünden dieser Art, um auf der Stelle von übereifrigen Sittenwächtern aus dem Verkehr gezogen und einer »gerechten« Strafe zugeführt zu werden.
    An jenem Nachmittag hatten vor uns bereits zehn andere Bewerber ihren Weg zu Sazegan-Gostar gefunden. So blieb Mansureh und mir ausgiebig Zeit, zu plaudern und vor allem zu beschließen, dass wir hier, wenn überhaupt, nur zu zweit arbeiten würden. Als die Reihe endlich an uns war, traten wir also auch gemeinsam ein. Ich dachte

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