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Auge um Auge (German Edition)

Auge um Auge (German Edition)

Titel: Auge um Auge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han , Siobhan Vivian
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Auto mitnimmt, kostet eine Hin- und Rückfahrkarte über einhundert Dollar. Rennie öffnet ihre Brieftasche, die vollgestopft ist mit zerknitterten alten Scheinen. Ich weiß, dass sie den ganzen Lohn von ihrem Kellnerinnenjob gespart hat für ein schönes Homecoming-Kleid. Sie hat eine spezielle Spardose, in die sie jedes Mal, wenn sie Geld bekommt, etwas hineintut.
    »Mach dir keinen Stress«, sage ich und reiche dem Kartenverkäufer ein paar Scheine.
    Kat wäre stinksauer auf mich, wenn sie das wüsste, aber sie wird ja nie davon erfahren. Rennie bedankt sich mindestens hundertmal, was ja wirklich nett ist von ihr.
    Wir fahren auf die Fähre und hinunter aufs Autodeck. Die meisten Passagiere steigen aus und verbringen die Überfahrt oben an Deck. Wir nicht. Wir bleiben in Rennies Jeep sitzen, hören Radio und blättern ein paar Zeitschriften durch, die ich mitgebracht habe, um uns schon mal inspirieren zu lassen. Rennie will ein eng anliegendes Kleid, möglichst mit Pailletten. Ich will ein schulterfreies mit herzförmigem Ausschnitt, in Weiß. Oder vielleicht in Apricot.
    Niemand sonst versteht es, so zielstrebig durch ein Einkaufszentrum zu steuern wie Rennie. Ich selbst lasse mich immer leicht ablenken. Obwohl wir fast nie hier sind, weiß Rennie genau, welches die besten Läden sind und wie man am schnellsten hinkommt. Wir haben nämlich nur wenige Stunden Zeit, um Ballkleider zu finden, etwas zu essen und zurück zur Anlegestelle zu fahren, um mit einer nicht zu späten Fähre zurück nach Jar Island zu kommen.
    Der erste Laden ist ein totaler Reinfall, und der zweite ist auch nicht viel besser. In beiden stapelt sich schon die neue Herbstmode, tonnenweise Pullover und Cordhosen, aber Kleider gibt’s nur ganz wenige. Jedenfalls keine, die schick genug wären für Homecoming. Für die unteren Klassen vielleicht, aber die Schülerinnen des letzten Jahrgangs machen sich immer besonders schön. Es ist im Grunde so etwas wie die Generalprobe für den Abschlussball.
    Doch im dritten Geschäft haben wir Glück, sowohl Rennie als auch ich haben am Ende jede Menge Kleider über dem Arm, die in die engere Wahl kommen. Wir suchen uns zwei Ankleidekabinen direkt nebeneinander.
    »Kennst du eigentlich dieses Mädchen, das neu bei den Juniors ist?«, fragt Rennie.
    Ich habe das erste Kleid schon halb über den Kopf gezogen, doch jetzt bleibe ich stocksteif stehen. Mary. Die Gedanken in meinem Kopf spielen verrückt. Könnte es sein, dass Rennie uns gesehen hat, wie wir im Flur miteinander geredet haben? Bestimmt nicht, da passe ich immer gut auf. Aber vielleicht hat sie mitbekommen, wie ich Mary beim Footballspiel zugenickt habe. Das fehlte mir gerade noch! Dass mir die Sache mit Alex jetzt ins Gesicht fliegt, wo wir gerade mit ihm fertig sind.
    Ich schaue hinunter auf den beigefarbenen Teppichboden. Unter der Trennwand zwischen unseren Kabinen sehe ich Rennies rot lackierte Zehennägel.
    »Wen meinst du denn?«, frage ich.
    »Du musst sie doch schon bemerkt haben, Lil! So groß ist unsere Schule ja nicht. Aber egal, jedenfalls habe ich gehört, wie eine ganze Menge von den Junior-Jungs gesagt haben, sie sei ja sooooo ein heißer Typ.« So, wie Rennie das »so« in die Länge zieht, ist klar, dass sie es ironisch meint. »Sie werden alle für sie stimmen bei der Wahl des Homecoming-Courts. Aber wenn du mich fragst – so hübsch ist sie eigentlich gar nicht. Auf keinen Fall hat sie Homecoming-Kaliber. Ich würde sogar wetten, dass sie nicht mal eine echte Blondine ist. Die Haare sind bestimmt gefärbt.«
    Einerseits bin ich natürlich froh, dass Rennie nichts gemerkt hat, andererseits regt es mich auf, was sie da sagt. Mary ist nämlich wirklich hübsch. Klar, ein bisschen verdreht ist sie schon, aber hübsch ist sie zweifellos. Und es freut mich, dass andere, vor allem Jungs, es auch so sehen. Das Mädel hat es wirklich nicht leicht gehabt. Ich weiß immer noch nicht genau, was Reeve ihr eigentlich getan hat, aber es hat sie auf jeden Fall völlig aus der Bahn geworfen.
    Nebenan knistert es, als Rennie sich ein Kleid überzieht. »Oooh – das sieht super aus! Bist du schon so weit?« Die Schwingtür ihrer Kabine geht auf und fällt wieder zu.
    Ich beeile mich und ziehe mich fertig an. Das Kleid gefällt mir nicht einmal. Die Farbe schmeichelt mir nicht. Trotzdem trete ich hinaus auf den Gang.
    Rennie steht auf Zehenspitzen auf dem Podest und betrachtet sich im dreiteiligen Spiegel. Dann fällt ihr Blick auf mich, und sie

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