Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)
auch sein, dass wir etwas damit anfangen können, ich Ihnen aber etwas verschweige, um Sie zu schützen.«
»Ich verstehe und bin mit allem einverstanden.«
»Was konnte die Polizei in Deutschland herausfinden?«
Anja seufzte. »Leider nur Indizien, die nicht zum Entführer geführt haben. Das Foto zeige nicht genug für einen Abgleich. Die Daten des Flugpassagiers seien gefälscht, würden in eine Sackgasse führen. Weitere Aufnahmen des Mannes vom Foto seien nicht gefunden worden. Man vermutete, er habe sich umgezogen oder verkleidet. Alle Behörden hätten bereitwillig mitgeholfen, aber der Mann und auch die Frau seien spurlos verschwunden. Mit ihnen Flo.«
»Ein Profi«, sagte er und streckte die Hand aus.
Anja kramte in ihrer Tasche, holte das Foto aus der stabilen Schutzhülle und reichte es Mr. Raulson.
Er runzelte die dunklen Brauen. Sie beobachtete ihn genau, und er schien sich dessen bewusst. Dachte er nach? Leider konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie etwas in seinem Ausdruck hatte erkennen können. Doch sein kurzes Zögern war verdächtig. Seine Überlegungen waren schnell, aber nicht so schnell, als dass die Pause nicht aufgefallen wäre. »Ich erkenne den Mann natürlich nicht, tut mir leid. Aber ich werde unsere wesentlich schlaueren und mit besserem Wissen ausgestatteten Computer befragen lassen.« Er lächelte.
Anja setzte ebenfalls eine nette Mimik auf. Sie hatte nicht allen Ernstes erwartet, dass der Sergeant Major ihr bestätigte, eine brauchbare Spur entdeckt zu haben oder dass er gleich mit einem Verbrechernamen aufwarten konnte.
Er hielt das Foto hoch. »Darf ich eine Kopie machen?«
»Sicher.« Sie stand ebenfalls auf, als er ihr das Original zurückgab, und reichte ihm über den Schreibtisch hinweg die Hand. »Vielen, vielen Dank, Sergeant Major Raulson. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie etwas herausgefunden haben, was Sie mir sagen können oder dürfen. Jederzeit.«
»Das werde ich, Mrs. Sommer.«
Zwei Minuten später stand sie auf der Straße vor dem Revier, band Zorro vom Laternenpfahl los und ließ den Kopf hängen. Ihr Puls raste, dabei gab es keinen Grund dafür. Die Enttäuschung saß tief. Dummerweise hatte sie gehofft, dass der Entführer ein bekanntes Gesicht besaß, obwohl sie von der deutschen Polizei bereits wusste, dass kein bekannter Verbrecher dem Mann auf dem Foto ähnelte. »Ich find dich schon, Wichser«, murmelte sie und strich das Plakat an der dicken Säule glatt, das sie gestern dort angeklebt hatte. Flo lächelte sie von dem großen Bild aus an – wie immer – und sie wusste, sie durfte nur nicht aufgeben.
Ein leichter Ruck ging durch ihren Arm. Ein junger Mann rannte an ihr vorbei die Straße entlang. Zuerst glaubte sie, er hätte sie nur angerempelt, doch dann bemerkte sie, dass ihre Handtasche fehlte. Sie trug sie stets mit dem Reißverschluss zum Körper, damit kein Taschendieb sie öffnen konnte, doch dieser Kerl hatte sie wohl mit einem sehr scharfen Skalpell einfach vom Tragegurt abgetrennt.
»Stehen bleiben!« Anja bückte sich, riss sich Zorro an die Brust und spurtete hinterher. »Scheißkerl, bleib stehen!« In der Tasche befanden sich neben ihrem Ausweis und dem Geld die Fotos des Entführers und von Flo. »Haltet den Dieb«, brüllte sie und gab alles, doch sie würde ihn niemals erwischen. Er war viel zu schnell. Schon bog er in einiger Entfernung um eine Hausecke. Tränen traten ihr in die Augen. Verdammt!
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis auch sie in die Gasse zwischen zwei Geschäften einbog.
Wie vor den Kopf geschlagen blieb sie stehen. Ein anderer Mann drehte dem jungen Dieb gerade einen Arm auf den Rücken, sodass er die Tasche fallen ließ und gequält auf die Knie ging. Eine Frau stand wenige Meter daneben und hielt sich die Hände vor den Mund.
Der Mann hob den Kopf und sah sie an. Dunkelbraune Augen musterten sie. »Ihre Tasche?«, fragte er und deutete auf den Boden.
Sie nickte.
»Wunderbar, dann haben wir gleich alles beisammen. Aufstehen, Bürschchen! Ab zur Polizei.«
»Bitte«, jammerte der Jugendliche und warf ihr einen flehenden Blick zu. »Ich brauch nur etwas Geld. Ich, es …«
»Für Drogen«, brummte der Mann.
»Nein, nein. Ich bin clean. Für Essen.«
Der Mann betrachtete den Knaben misstrauisch und schob den Ärmel an dessen dünnen Arm empor. »Keine Einstiche.«
»Bitte, ich sag’s doch. Ich brauch nur etwas Geld.«
Die blonde Frau trat vor. Warf erst dem Jungen, dann ihr einen
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