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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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getan haben soll? Ihn verschwinden lassen, das konnte der Stuchlik tot ja wohl kaum mehr.«
    Beetz blickte zum Fenster. Noch immer knallten Tropfen aufs Glas. »Und die Nachtschwester hat nichts bemerkt?«, fragte sie.
    »Da müssen Sie die Nachtschwester fragen. Bei der Übergabe hat sie mir gegenüber keine außergewöhnlichen Vorkommnisse erwähnt. Alles ruhig. Routine. Ein paar zusätzliche Schmerzmittel. Aber sonst …«
    Beetz trank einen kräftigeren Schluck. Der Kaffee war stark, weckte ihre Geister. »Gut.« Sie behielt die Tasse in ihrer Hand. »Wie heißt denn die Nachtschwester, die Sie abgelöst haben?«
    »Anni … Anita Demand … Brauchen Sie ihre Adresse?«
    Beetz nickte. Die Flutung begann jetzt in der anderen Ecke der Fensterscheibe. Sie nannte die Pfütze Markkleeberger See. »Wenn Sie so nett wären.«
    Monique notierte die Adresse aus dem Gedächtnis in Beetz’ Notizbuch.
    »Und es ist ausgeschlossen, dass Fremde nachts die Station besuchen?«
    Monique wandte Beetz das Gesicht zu, ohne den Stift vom Papier zu nehmen. »Ausgeschlossen. Wir verschließen die Tür. Nachts sind wir nur einfach besetzt, wir können unsere Augen nicht überall haben. Und auch in Krankenhäusern wird aus den Zimmern gestohlen. Erst vorigen Monat waren Ihre Kollegen beim Röntgen. Fünfhundert Euro waren verschwunden.«
    »Wenn Sie abschließen, kann niemand auf diese Station?«
    »Doch. Er muss klingeln.«
    In dem Moment klopfte es wieder an die offene Tür.
    »Hallo?«
    Kein Patient diesmal, in der Tür stand Hauptkommissar Kohlund.
    Beetz hob kurz ihre Schultern, so dass er es sah. »Nichts, was unsre Ermittlungen weiterbringt«, sagte sie.
    Kohlund betrat den Raum. Beetz hatte den Eindruck, dass er aus ihrer Tasse trinken wollte.
    »Hat sich Kriminaldirektor Miersch bei Ihnen blicken lassen?« Kohlund ging zum Fenster und sah in den Regen.
    »Nein.«
    »Wahrscheinlich liegt der bei seiner Frau in der Koje und wollte uns mit seiner Drohung nur Beine machen.«
    Selbst der Chef hatte vorm Direktor Respekt. »Könnte sein«, sagte sie.
    Kohlund deutete mit dem Kinn aus dem Fenster. »Aber sein BMW steht, glaub ich, da unten.«
    Beetz stellte sich zu ihm. Das Fenster hatte jetzt zwei Seen in beiden unteren Ecken. »Nicht nur Herr Miersch fährt in der Stadt diese Marke, Chef.«
    »Ich traue dem Frieden nicht, werte Kollegin. Der ist irgendwo, wir sehen ihn nur nicht.«
    Beetz ließ es dabei bewenden. Kohlund trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe. Weder der Markkleeberger noch der Zwenkauer See leerten sich.
    Monique klapperte mit dem Kaffeegeschirr. »Herr Hauptkommissar, auch ein Tässchen?« Sie winkte mit der Kaffeekanne.
    Kohlund reagierte nicht. »Einer von uns wird mit der Familie reden müssen«, sagte er stattdessen.
    Beetz ahnte, er würde ihr diesen Job überlassen.
    »Frau Stuchlik müsste eigentlich schon hier sein. Ich habe sie sofort vom Tod ihres Mannes informiert. Sie hatte damit gerechnet. Seit Wochen bereits. Es war für sie eine Erleichterung, für die ganze Familie.« Die Schwester goss sich Kaffee nach. »Zumindest kam es mir so vor.«
    Monique hielt Kohlund noch einmal die Kanne entgegen.
    »Wenn das so ist.« Kohlund nahm am Tisch Platz, und Monique schenkte ein.
    Auch Beetz setzte sich wieder und trank.
    Da erschien Frau Melhorn aufgeregt in der Tür. »Jetzt ist es in die Laken gegangen.«
    »Scheiße!«
    Schwester Monique rannte los.

5
    Sie tragen die Schuld an seinem Tod! Alle drehten sich nach ihm um. Alle schlugen auf ihn drauf. Alle. Auch hier die Besucher, Pfleger und Ärzte. Er spürte die Blicke in seinem Nacken. Der! Genau der ist es, der Mann! Genau der! Der Mörder! Der Mörder! Miersch musste an keiner Tür seinen Namen sagen. Sie öffneten sich vor ihm, alle Personen traten freiwillig beiseite, bildeten ein Spalier. Hinter seinem Rücken aber hörte er ihr Tuscheln, ihr Getratsche. Unglaublich! Dass der sich das noch traut! Nach all den Monaten! Uninformierte klärte man auf. Was, das ist der Mörder? Das ist der Miersch? Er konnte nicht einfach so wieder gehen, das Krankenhaus vor aller Augen klammheimlich verlassen, kneifen. Er saß hier fest. Da musste er jetzt durch. Konstantin Miersch musste sich stellen. Visier offen. Zum Kampfe bereit. Dem Gegner ins Auge geschaut. Viel zu lange hatte er gezögert. Sie kommen zu spät! Viel zu spät! In diesem Moment, angesichts dieser schmuddeligen Frau mit Feudel und Schrubber war es vorbei, konnte er nicht einfach so wieder gehen.

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