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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Neurophysiologischen Rehabilitationszentrums Beschwerde einlegen.
    »Versuchen Sie’s mal auf der Station?« Beetz hörte sich an, als wolle sie ihn tatsächlich zu einem Rendezvous einladen. Sie hoffte, ihr Lächeln passte.
    »Ach, hinter meinem Pult ist ein Zimmer, wir beide können’s auch da mal versuchen.«
    »Würde mich freuen.«
    Der Stiernacken lächelte und schien mit Fett eingeschmiert. Das durfte nicht wahr sein! Unter seinen Blicken fühlte Beetz sich nackt. Aber eine solche anzügliche Einladung schien momentan der kürzeste Weg, der ihr den Zutritt ins Haus gewährte. Aber die Zeit drängte, es musste schnell gehen. Die Krankenschwester, die sich Anita Demand nannte, war auf dem Weg hierher. Sie kam über den Diensteingang in das Gebäude. Zehn Uhr war üblicherweise der Wechsel im Dreischichtsystem. Keine halbe Stunde mehr. Der Typ schien Spaß an dem Spiel zu haben.
    Natürlich könnte Beetz auch die Einsatzleitung und Kohlund informieren. Sie könnte einen Streifenwagen zum Neurophysiologischen Rehabilitationszentrum bestellen. Möglichkeiten hatte sie viele, doch ihr widerstrebte solch ein Auflauf, nur um auf die Station zu kommen. Anita Demand könnte aufmerksam werden. Das konnte sie warnen. Sie könnte verschwinden. Wahrscheinlich hatte sie ihren Dienst längst angetreten und bewachte den schweren Schlaf der Patienten. So unauffällig wie möglich musste Beetz ins Haus kommen. Aber dieser Typ verweigerte ihr den Zutritt. Und er war auch noch im Recht.
    Sie suchte noch immer ihre Legitimation. Das Portemonnaie fiel ihr dabei in den Dreck. Als sie es aufhob, rutschte der Dienstausweis aus dem Nebenfach.
    Unglaublich! Beetz atmete durch und heftete ihn zum Lesen an die Scheibe der Glastür. Ihre Finger hinterließen Spuren. Grüner Ohrring bewegte die Lippen, als wäre er Analphabet. Dann stand er stramm und öffnete wortlos die Tür und hätte beinah salutiert.
    »Kleiner Scherz. Nehmen Sies mir nicht übel.« Er lächelte wie ein Kind, das man bei einer Untat erwischt hatte und das nun glaubte, große Augen und ein naives Gesicht ließen alles vergessen.
    Beetz ignorierte das geläuterte Arschloch und eilte zum Fahrstuhl. In den Krankenhausgängen begegnete ihr kein Mensch. Auch erkannte sie den Weg nicht wieder, ohne Menschen und Tageslicht schien alles verändert. Das Haus wirkte wie das verlassene Raumschiff Enterprise: hell erleuchtet, klinisch sauber, große Fenster, Apparaturen und summende Geräusche. Beetz wäre nicht überrascht gewesen, wenn Mr. Spock oder Captain Kirk aus einer der Türen treten würde. Hinweisschilder wiesen zum Röntgen, zur urologischen Ambulanz, zur Notfallversorgung oder zum OP-Bereich. Beetz hetzte die Gänge entlang, als wäre der Typ mit dem grünen Ohrring hinter ihr her.
    Und plötzlich stand sie vor der Onkologie. Die Tür war abgeschlossen, genau wie Dr. Barthelmes und Schwester Monique ausgesagt hatten. Beetz klingelte. Die Schwester, die ihr öffnete, trug ein Schild mit dem Namen Solveig.
    »Wer sind denn Sie?«, fragte sie.
    »Kriminalpolizei, Kommissarin Beetz.«
    »Was wollen Sie?« Der Ton ihrer Stimme ließ die Luft gefrieren. Auch hier war Beetz nicht willkommen. Schwester Solveig hatte offensichtlich schlechte Laune. Beetz taten die Patienten leid, die solchem Personal ausgeliefert waren. Die Schwester schien ihr keiner mitleidigen Regung fähig, kalt und erbarmungslos. Schwester Ratched, und nicht nur im Film Einer flog über das Kuckucksnest.
    »’tschuldigung. Kriminalpolizei, Kommissarin Beetz …«
    »Sagten Sie schon.«
    Die Frau war ein Bulldozer. Sie war größer als Beetz und doppelt so schwer. Trotzdem umspielte sie ihr Kittel locker, warf Falten. Sie wirkte wie ein Eisberg und war wahrscheinlich auch gefährlich wie einer. Die Schwester schien im Stress. Die Mordermittlungen am Vormittag ließen die ausgeklügelte Behandlungsmaschinerie noch immer nicht reibungslos laufen. Routine würde sich erst in Stunden wieder einstellen. Polizisten waren lange auf der Station zugegen gewesen und hatten das System aus dem Gleichgewicht gebracht. Das wäre in jedem funktionierenden Betrieb so gewesen. Beetz erinnerte sich, wie ihre Mutti von Staatsbesuchen in der Produktion berichtet hatte. Ganze Wochen war man nicht zum Arbeiten gekommen, stattdessen malte man Potemkinsche Dörfer. Und, sagte sie immer, verblüffenderweise ist das im Kapitalismus nicht anders.
    »Kriminalpolizei. Ich möchte mit Anita Demand sprechen.«
    »Das möchte ich

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