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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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ab. »Jetzt?«
    »Nein. Sonntags spät zwei.« Schwester Solveig bemerkte Beetz’ Unverständnis. »Ich habe Beatrice schon nach Hause geschickt. Wir waren durch mit der letzten Runde.« Sie lächelte schuldbewusst. »Nachtwache ist nur einfach besetzt. Reicht aus, sagt die Verwaltung, auch wenn manchmal sechs in einer Nacht sterben.«
    Beetz überlegte, ob sie sich nachschenken sollte. Aber das Glas war noch halb gefüllt. »Ist Anita Demand eine gute Kollegin?«
    »Sie ist ja Leiharbeiterin, wie man neudeutsch so sagt. Viel geredet habe ich mit ihr nicht. Übergabe, Medikamente, Tropf, Sterbende, bei denen man öfter reinschauen sollte. Alltag eben. Das ist alles Routine hier auf Station. Zu Brigadefeiern und Geburtstagen hat keiner sie eingeladen, oder sie ist nicht erschienen. Ich bin für die Brigadefeiern nicht verantwortlich, müssen Sie wissen. Ich kümmere mich um die Kasse für die Geschenke unter Kollegen und ums Wichteln zur Weihnacht.«
    »Am Wichteln hat Anita Demand nicht teilgenommen?«
    Schwester Solveig überlegte. »Weihnachten? … Da war sie noch gar nicht bei uns auf Station. Oder erst kurz. Nein, bei der Weihnachtsfeier ist sie auch nicht gewesen, oder ich habe sie nicht gesehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber wie wäre das möglich gewesen? Wir haben im Weinkeller St. Benno nur einen Raum gehabt. Der war nicht sehr groß. Übersehen? Unmöglich.«
    »Und was wissen Sie sonst über sie? Ist sie verheiratet? Hat sie einen Freund?«
    Schwester Solveig blickte, als hätte sie Beetz beim Klauen erwischt. »Nicht jeder Kollege wird einem zum Freund«, sagte sie dann.
    Solche Rechtfertigung war Beetz nicht unbekannt. Joseph hatte sie mehrmals damit aufgezogen, und sie war in Wut geraten. Sie konnte die Beispiele aus der Mord zwo nennen. Kohlund. Schmitt. Selbst mit Agnes Schabowski war sie nie wirklich warm geworden. Grischa Merghentin war der Einzige, dem sie vertraute. Doch seit der im Rollstuhl saß, war er nicht mehr Mitglied des Teams, sosehr Merghentin dafür kämpfte. Kohlund schickte ihn von einer Rehabilitationsmaßnahme zur nächsten und gab Merghentin nur alte Akten zur Aufklärung. Merghentin hatte in einer schwachen Stunde Beetz sein Leid geklagt. Sie hatte zu viel getrunken und hoffte, dass sie ihm damals nicht zu viel von den eigenen Problemen aufgetischt hatte. Zum Schluss hatte Grischa sie auf den Mund geküsst, oder sie ihn, oder … Ach Scheiße!
    »Sie wissen gar nichts?«
    Solveig winkte ab. »Nicht wirklich. Von Kindern hat sie gesprochen. Eins oder zwei. Der Junge heißt Boris, soweit ich mich erinnern kann. Aber sonst?«
    Die Schwester drehte sich um und nahm aus dem Schränkchen Medikamente, begann, sie nach einem Plan in kleine Schalen zu portionieren.
    »Die Demand spricht mit Akzent. Ich dachte, vielleicht ist die Polin und hat einen Deutschen geheiratet. Aber gefragt habe ich sie nicht. Wir sahen sie selten und …« Sie verstummte und widmete sich ihrer Arbeit, griff nach der nächsten Packung Tabletten und drückte sie aus der Aluminiumhülle.
    »Und Frank Stuchlik?«
    Solveig hielt inne. »Es ist mir unbegreiflich, warum jemand diesen Mann umgebracht hat. Er lag doch im Sterben. Ein paar Tage noch, höchstens Wochen. War das wirklich Mord?«
    »Wir müssen davon ausgehen. Ja.« Beetz trank. Solveig schwieg. »Ihnen ist nichts aufgefallen?«
    »Nein, was denn? Seine Familie hat ihn sehr unterstützt. Sie haben mit ihm gelitten. Ich habe ihre verweinten Gesichter gesehen. Sie hattens nicht einfach. Und jetzt das.«
    »Kann ihm jemand beim Sterben geholfen haben?«
    Schwester Solveig warf die Packung Tabletten auf die Anrichte und kam auf die Kommissarin zu. Beetz konnte ihre ehrliche Entrüstung körperlich spüren.
    »Sterbehilfe steht unter Strafe, wir riskieren nicht unseren Job fürs Gefängnis.« Der Tonfall glich einem Machtwort der Kanzlerin.
    »Und die Nachtschwester?«
    »Hören Sie mal!« Solveig knallte ihre Faust so auf die Sprelakartplatte, dass die Medikamente aus den Schälchen und Gläsern heraussprangen. »So ein Mist!«
    Sie sortierte von neuem. Damit war das Thema für sie offenbar erledigt.
    »Ich würde hier gerne warten. Vielleicht kommt Anita Demand ja doch noch zum Dienst.«
    »Ich habe versucht, sie telefonisch zu erreichen. Ihr Handy ist abgeschaltet. Und ich sitze da mit der Arbeit.«
    »Ja.«
    »Da muss sich Monique etwas einfallen lassen. Doppelschichten kann ich nicht alle zwei Tage schieben.«
    »Ja.«
    »Und wenn Sie hier schlafen

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