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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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verletzt war sie auch nicht. Aber wahrscheinlich saß auch in der Notaufnahme eine Bulldogge hinterm Glas und verbot jedem Unbefugten den Einlass.
    »Entschuldigen Sie, ich muss auf Station.«
    »Mir liegen keine Sondergenehmigungen vor.«
    »Hauptkommissarin Beetz. Ich untersuche einen Mordfall. Onkologie.«
    »Oberleutnant Fuchs. Betreten verboten.«
    Der grüne Ohrring fand sich witzig, der Specknacken von Oberleutnant Fuchs glänzte. Beetz suchte ihre Polizeimarke in den Manteltaschen. Sie förderte Fahrschnipsel, Lippenstift, das Notizbuch und einen Kamm zutage, doch ihre Legitimation blieb verschwunden.
    »Kommissar ist ja mal ein ganz neuer Trick.«
    »Kommissarin.« Beetz betonte das -in.
    Fuchs lächelte anzüglich. »Ah ja, Frau Kommissarm. Und wo möchten wir denn so eilig hin?« Er schnalzte mit der Zunge.
    Sie hätte ihm in die Eier getreten, wäre das möglich gewesen. Das war wieder genau einer der Typen, die Beetz mit ihrem Machogehabe zur Wut reizten. Selbst das Kollektiv der Mord zwo hatte solche Vertreter. Allein wenn Beetz an Horst Schmitt dachte, schmeckte sie Galle. Und dieser glatzköpfige Arsch kam sich wohl wichtiger vor als jeder General und attraktiver als Johnny Depp und Brad Pitt zusammen.
    Grüner Ohrring war beauftragt, das Gebäude vor Pennern, Dieben oder Terroristen zu schützen. Und Beetz gehörte nicht zu dieser Klientel, davon hatte er sich schnell überzeugt. So wie sie sahen für gewöhnlich keine Verbrecher aus. Allerdings hatte ihr Job sie da auch schon eines Besseren belehrt. Manch einer maß keinen Meter fuffzich und schlug ganze Kompanien zusammen. Junge Mädchen, kaum zwölf, erpressten Schulkameradinnen mit Gewalt, zogen selbst Jungs ab. Der Ohrring konnte ihr nicht trauen. Er durfte es nicht. Beetz spielte alle Szenarien durch. Sie könnte in Ohnmacht fallen. Sie könnte ein offenes Fenster suchen. Und sie könnte ihm ihre Pistole vor die Nase halten. Aber wahrscheinlich hätte das den Ausbruch eines Krieges zur Folge gehabt.
    »Ah, ja.« Er dehnte die Silben und spuckte sie zerkaut wieder aus. »Onkologie.«
    Grüner Ohrring verlagerte das Gewicht von Zehe zu Ferse und wieder zurück. Wahrscheinlich hatte der Arsch das mal in einem Kriegsfilm gesehen, wo der Offizier Rekruten drillte. Full Metal Jacket. Der Ohrring pendelte, das Grün reflektierte blitzend das Licht. Der Kerl musterte sie von oben bis unten. Sie spürte seinen Blick von ihrem Mund auf ihre Brust wandern. Wahrscheinlich überlegte der Typ, wie er sie ins Bett kriegen könnte. Jedenfalls blickte er genauso wie die Aufreißer, die in jeder Disco rumstanden und mit schmierigem Lächeln Willste? grinsten.
    »Onkologie.« Er zermalmte die Buchstaben.
    Beetz war sich nicht sicher, ob er überhaupt wusste, wie man dieses Wort schrieb, geschweige denn, was Onkologie bedeutete. »Verwandte?«
    »Frank Stuchlik.«
    »Freund?«
    »Nein. Der Mann ist eines gewaltsamen Todes gestorben. Ich ermittle, das ist mein Job.«
    »Ah, ja. Frau Kommissarm.« Grüner Ohrring nickte. »Aber ohne Genehmigung kann ich keinen hier reinlassen. Verstehst du?«
    Er lächelte, und jetzt blitzten auch seine Zähne im Licht der Neonröhren.
    »Kranke, irre Menschen, Alte sind die Klientel hier. So siehst du nicht aus.« Er holte viel Luft und lächelte. Beetz ballte die Faust. »Und wer sagt mir denn, dass du nicht nur ein flottes Nümmerchen mit dem Chefarzt schieben willst?«
    Beetz zuckte das Bein, sie hätte es ihm mit Freude zwischen seine muskulösen Schenkel getrieben. Wahrscheinlich stemmte der Hanteln und joggte sich seinen Puls täglich mehrmals über hundertneunzig. Ihr Blutdruck stieg, aber sie durfte nicht provozieren.
    »Rufen Sie im Präsidium an und lassen Sie sich meine Identität bestätigen.« Obwohl Beetz sich zusammenriss, war ihrer Stimme der Unmut anzuhören.
    »Ich kann’s auch beim Papst versuchen. Aber ob der Sie kennt?« Der Typ zerlief fast vor Häme. Über seine Glatze rollten die Schweißperlen. Sein Nacken ähnelte einem Schinken in der Gourmetetage. In den winzigen Haarstoppeln setzten sich die Tropfen fest. Er wischte darüber und schmierte die Hände am Hosenbein ab.
    Beetz blätterte in ihrem Notizbuch nach der Nummer der Station. Vielleicht tat Monique Dienst und konnte sie einlassen. Oder Dr. Barthelmes würde diesen Wachmann in seine Schranken weisen. Der Macho hatte seine Befugnisse eindeutig überschritten. So unverschämt war Beetz selten einer gekommen. Sie würde beim Direktor des

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