Augen für den Fuchs
erst entdeckt. Dann zupfte er sich am Schlips und zog sein Sakko ordentlich über die Schultern.
»Wir stellen Ihnen gern alle unsere Daten die Klientin betreffend zu Verfügung. Agatha, druckst du unseren Besuchern die Akte Demand aus?«
Es war ein großzügiges Angebot, und Bornschein wusste es. Denn sie müssten erst einen richterlichen Antrag vorweisen, um die Akte ausgehändigt zu bekommen.
Agatha Schell stand hinter dem Schreibtisch und drehte den Monitor wieder zu sich. Dr. Bornschein lächelte dümmlich. Ja, dieser Kerl passte genau ins Raster: jung, gut aussehend, finanziell abgesichert. Wahrscheinlich fuhr er BMW oder Porsche, und behauptete, damit die heimische Automobilindustrie zu unterstützen. Zu Geschäftsessen pflegte er sicher an die teuersten Adressen einzuladen. Er wurde auf Empfänge geladen und fühlte sich einem inner circle zugehörig, den nur seine Mitglieder kannten. Joseph spottete in seinen Artikeln gern über dieses selbst ernannte Establishment. Er nahm sie nur selten mit, wenn er zu den gesellschaftlichen Ereignissen fuhr. Franzi, dich würden diese Typen nur langweilen. Joseph hatte recht, sie ekelte sich vor Bornschein. Ihre Gänsehaut war noch immer nicht verschwunden.
Es klopfte erneut. Die vollbusige Dame vom Empfang servierte ihnen ein Tablett mit Kaffee, Wasser und Mürbeteiggebäck. Beetz lehnte brüsk ab, obwohl ihr das Koffein gut getan hätte. Schmitt jedoch griff zur Kanne und schenkte sich ein. Dann nahm die ältere Empfangsdame sie ihm wieder ab, schenkte Bornschein ein und reichte dem Geschäftsführer die Tasse.
»Milch, Zucker, Zückli, alles dabei. Falls Sie sonst noch Wünsche haben, läuten Sie, Doktor Bornschein.«
Ein Augenaufschlag, der Eisberge schmolz, und ein huldvolles Nicken. Damit war die Aufgabe des Dienstpersonals erledigt, und die Frau verließ lautlos das Zimmer.
Bornschein nahm einen Schluck Kaffee und schnalzte anerkennend mit der Zunge. Für Agatha Schell war keine Tasse auf dem Tablett vorgesehen, Beetz zählte nur drei. Jetzt bedauerte sie, nicht doch Ja zum Kaffee gesagt zu haben, schon allein um zu testen, ob er so gut schmeckte, wie Bornschein tat. Doch sich jetzt noch einzuschenken, wäre peinlich gewesen. Ihre Gänsehaut war im Abklingen begriffen.
Agatha Schell zog die Personalakte von Anita Demand vollständig aus dem Drucker, verglich alles noch einmal mit den Daten auf dem Bildschirm. Dann reichte sie Beetz das Papier, als sei es so bedeutsam wie Schabowskis Zettel zur Maueröffnung. Beetz las:
Frau Anita Demand arbeitete mehr als zwei Jahre in unserer Einrichtung und erfüllte die ihr übertragenen Aufgaben mit psychologischem Einfühlungsvermögen und medizinischer Kompetenz. Auch bei der Behandlung schwieriger Krankheitsbilder reagierte sie besonnen und umsichtig. Unter den Patienten galt sie als eine ihrer »Lieblingsschwestern«. Wir bedauern aufrichtig, dass private Umstände sie zwingen, sich eine andere Wirkungsstätte zu suchen. Hochachtungsvoll …
Sie schaute auf Briefkopf und Unterschrift. Städtische Kliniken Rheinhausen, Stationsarzt der Intensivmedizin.
… hat einen bleibenden Eindruck bei Personal und Patienten hinterlassen. Wir können unserer Kollegin nur die besten Zeugnisse ausstellen … schnell fügte sie sich ins Team ein, und die anstehenden Arbeitsaufgaben erfüllte sie vorbildlich und initiativreich … sie wird eine Leerstelle auf Station hinterlassen …
Auch Anita Demands Zeugnisse von Schule und Ausbildung zeigten überdurchschnittliche Leistungen. Das Abitur hatte sie in Biberach abgelegt. Das ließ auf eine Jugend in Oberschwaben schließen. Anita Demand aus der Geutebrückstraße hatte nicht so geklungen, als wäre sie nach Leipzig hergezogen.
Es existierten also zwei verschiedene Personen: Krankenschwester und Bankangestellte. Der Ausweis war in Leipzig ausgestellt und besaß noch drei Jahre Gültigkeit. Da stutzte Beetz. Vor sieben Jahren war er ausgestellt worden, mit einer Gültigkeit von zehn. Das widersprach den Angaben in den Referenzen. Denn zwei Jahre nach dem hier angegebenen Ausstellungsdatum in Leipzig hatte die Krankenschwester laut den Papieren noch in Rheinhausen auf Station gearbeitet. Unterschrieben: Städtische Kliniken Rheinhausen, Stationsarzt der Intensivmedizin.
»Sie haben die Dokumente nicht genau gelesen. Wenn sich Anita Demand hier einen Ausweis ausstellen lässt, kann sie nicht gleichzeitig ihren Hauptwohnsitz im Breisgau haben.«
Dr. Thomas Bornschein nahm Beetz
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