Augen für den Fuchs
ungefragt die Papiere aus der Hand, schaute sie sich an und überlegte. Dann lächelte er. »Das ist kein Widerspruch, verehrte Kommissarin. Anita Demand kann doch in Leipzig gewohnt und im Westen gearbeitet haben. Was denken Sie, wie viele Ostdeutsche Woche für Woche durch Deutschland pendeln? Zumal im Bereich des Pflegepersonals ist das gängige Praxis. Jedes Wochenende sind die Autobahnen verstopft, und ich stehe im Stau.«
Der Herr Doktor hatte seinen Wohnsitz also auch nicht nach Leipzig verlegt, obwohl er Geschäftsführer einer hier ansässigen Firma war, schlussfolgerte Beetz. Auch er war ein Pendler, nur entgegen des Hauptstroms. Sie war froh, in ihrem Heimatort eine Stelle gefunden zu haben. Sonst hätte auch sie sich deutschlandweit bewerben müssen und wäre wahrscheinlich nie nach Leipzig versetzt worden. Sie sah sich im Großstadtrevier St. Pauli, im Kölner Filz oder der SoKo Wismar ermitteln – schreckliche Vorstellungen. Sie klopfte in Gedanken auf Holz, dass sie in Zukunft nicht noch versetzt würde.
»Wie dem auch sei, wer hat denn die Gespräche mit Anita Demand geführt?«, fragte sie.
»Ja, also, mir sagt der Name mal gar nichts«, sagte Dr. Bornschein und steckte seine Hände in die Hosentaschen.
»Ich habe sie betreut.« Agatha Schells Stimme war noch leiser geworden. »Alle ihre Papiere schienen in Ordnung. Und nicht von jedem Zeugnis braucht man das Original.«
»Schon klar«, sagte Schmitt.
Die Vermittlerin schreckte zurück und sah ihn an, als würde sie sich entschuldigen. Beetz hoffte, dass sie nicht so einschüchternd auf Zeugen wirkte. Indem sie nochmals in die Papiere schaute, fiel ihr etwas auf. Sie hatte kein Diensthandy und bat Schmitt darum.
»Willste dem Alten vom Erfolg hier berichten?«, fragte er.
Beetz überhörte die Ironie, die gehörte zu Schmitt wie zu diesem Dr. Bornschein der Anzug. Logisch, dass der Kollege Schmitt Frust schieben musste, so lang im Job und auf der Karriereleiter weit unten. Und nun musste er noch mit ihr, dem Küken, ermitteln. Und Kohlund hatte nicht ihm die Leitung übertragen. Das machte Beetz stolz. Sie verbiss sich das Lächeln.
»Ich möchte nur im Meldeamt nachfragen. Vielleicht gibt es wirklich zweimal denselben Namen in dieser Stadt, und die Daten wurden verwechselt.«
»Im Ausweis?« Schmitt zuckte die Schultern und blätterte in der Personalakte, die Time is Money ihnen überlassen hatte. Dr. Bornschein und die Schell waren konsterniert, so, wie sie schauten. Aber nicht jedes Dienstverhältnis beruhte auf Unterwerfung, wie sie von diesen beiden hier annahm. Beetz lächelte ihnen zu. Sie drückte die Tasten und ließ sich mit der Meldestelle verbinden.
»Ich hätte gern einen Personenabgleich … Ja. Anita Demand. Geutebrückstraße, Paunsdorf … Diese Daten stimmen überein. Geburtsdatum … Auch das. Ist im polizeilichen Führungszeugnis etwas vermerkt? … Gibt es eine zweite Person gleichen Namens im Regierungsbezirk? …« Beim Telefonieren schaute Beetz aus dem Fenster. Ein Flugzeug hinterließ am Himmel weiße Streifen. Die Schwalben flogen tief.
»Also, gibt es nur eine Anita Demand im Regierungsbezirk, deutschlandweit … und die ist Bankangestellte, verheiratet und hat zwei Kinder. Ich habe gestern mit ihr gesprochen … Ja … Oder nicht?« Beetz lauschte.
Schmitt unterbrach seine Lektüre. Die Arbeitsvermittler schauten gebannt.
»Danke vielmals.« Beetz beendete das Gespräch und wandte sich Schmitt zu. »Vor zwei Jahren hat Anita Demand ihren Ausweis als gestohlen gemeldet. Aufgetaucht ist er seitdem nicht.«
»Sehen Sie, wir konnten nicht ahnen, dass sie sich mit falschen Daten bei uns beworben hat.« Dr. Bornschein sah man seine Erleichterung an.
»Selbst wenn, so einfach werden Sie diese Sache nicht vom Tisch wischen können.« Schmitts Sarkasmus ließ Bornscheins Lächeln wieder verschwinden.
»Ich konnte doch nicht ahnen, dass der Ausweis geklaut war. Die Frau sah auch aus wie auf dem Passbild. Aber jeder weiß, wie wenig Passbilder dem wirklichen Aussehen ähneln.« Agatha Schell lächelte Beetz zu. »Haben Sic nie über die Verfremdungen gelacht?« Natürlich, das hatte Beetz. Die Schell wurde wieder sehr ernst. »Ich kann mich nicht genau dran erinnern. Zweifel hatte ich keine, da bin ich mir sicher.«
»Wir suchen eine Frau, von der wir nur wissen, dass sie nicht Anita Demand ist«, stellte Schmitt fest. »Die finden wir nur durch Zufall. Klasse.«
»Frau Schell hat gemeint, sie könne uns bei
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