Augen für den Fuchs
blickte ihm offen in die Augen.
Miersch fiel fast die Tasse aus der Hand. Kaffeesatzkrümel hingen ihm an den Lippen, er wischte sie weg. »Wie bitte? Er war es nicht?«
»Hajo Popp war nicht der Augensammler. Der Vater allerdings hat erkannt, wer der perverse Mörder war: sein Sohn. Hajo Popp hat Sebastian getötet, danach sich selbst, ist in die Egge gesprungen. So ist die Motivlage der beiden Toten in der Garage einfach und logisch zu erklären. Sebastians Morde erklären sie nicht. Aber solch perverse Gewalttaten sind oft irrational, und keiner findet für solche Abartigkeit eine Begründung. Sie kennen die Tatsachen, Herr Kollege.«
»Aber warum steht das nicht in der Akte? Die Familie hat bis heute keine Gewissheit. Dass Hajo seinen Sohn umbrachte, ist genau das Gegenteil von dem, was erzählt wird.«
Der Alte holte tief Luft und schloss seine Augen. »Glauben Sie mir, ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber jedermann hat damals geglaubt, in Hajo Popp den Mörder gefunden zu haben. Dann fanden wir die zwei Leichen. Sofort machte das Gerücht die Runde, der Sohn hätte seinen Vater gerichtet. Die Zeitungen haben es so berichtet.« Queißer schloss seine Augen, sprach langsam. »Wem hätte die Wahrheit genutzt? Der Mutter? Der Schwester? Wäre das nicht viel schlimmer? Der Sohn, der Bruder pervers, ein Serientäter und Vatermörder? Längst galt Sebastian als Held.«
»Sie konnten Ihren Fehler nicht zugeben!«
»Ich dachte, mit unserer Lösung hätte der Fall ein versöhnliches Ende gefunden.«
Queißer ließ seinen Satz wirken. Miersch verstand nicht: Der Vater hatte Sebastian getötet?
»Deshalb haben wir den Fall so zu den Akten genommen. Interessierte bislang auch keinen.«
Miersch war fassungslos. »Aber der Selbstmord …«
»Vielleicht Reue. Vielleicht war der Tod des Vaters wirklich ein Unfall.« Queißer zuckte mit den Schultern. »Ich habe die Erklärung erst Wochen später gefunden. Die Indizien stimmten mit keiner Theorie überein. Die Kollegen hatten sich längst mit der Lösung zufriedengegeben. Die Familie hatte sie akzeptiert.«
»Das hat sie bis heute nicht.«
»Damals hatte ich einen anderen Eindruck.« Queißer suchte den Augenkontakt. »Warum wollen Sie heute, nach einem Vierteljahrhundert, die Familie damit konfrontieren? Manchmal lebt man mit Lügen besser.«
»Ansichtssache.«
»Ansichtssache.«
Queißer stand auf und holte aus dem Büfett zwei Schwenker für seinen Kognak.
27
»Sie übernehmen die Frauen!«
Schmitt nickte. Der Kaffee von der Hohmann rumorte ihm im Magen. Er hatte gestern einfach zu viel getrunken. Oder nicht einmal das, er hatte zu wenig Schlaf. Marissa hatte ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Immer, wenn er sie von der Bettkante gestoßen hatte, provozierte sie ihn erneut. Ob mit Dessous oder Spielzeug, Blowjob oder Massage. Er kam nicht zur Ruhe und hatte unter ihrem Protest das Etablissement erst gegen vier Uhr verlassen. Marissa hatte ihm einen unvergleichlichen Kuss auf die Wange gesetzt und war mit einem Hungerlohn zufrieden. Er wäre bereit gewesen, für ihre Dienste weit mehr auf den Tisch zu blättern. Seine Brieftasche war voll. Aber Marissa hatte ihm mit ihrem Finger den Mund verschlossen: Du biss mir simpathisch.
Schmitt hoffte, dass Marissas Rabatt wirklich ihre ganz persönliche Entscheidung war. Böswillige Kollegen könnten das als Vorteilsnahme, gar Bestechung auslegen. Aber in Marissas Armen konnte er den Alltag vergessen, den Job, die Kollegen, die Kinder.
»Sie übernehmen die Frauen!«
Die Beetz genoss ihre Macht. Sie hatte die Beratung geleitet wie die Kanzlerin ihr Kabinett. Zumindest stellte er sich das so vor. Die Beetz hatte auf eine kurze Tagesordnung gedrungen. Schwätzer durften nicht zu ihren Tiraden ausholen. Die Stillen mussten Farbe bekennen. Das war eindeutig ein neuer Leitungsstil. Die Beetz hatte die Prüfung mit Bravour bestanden. Er hatte daneben gesessen und mit sich gekämpft.
Nein, Schmitt wunderte sich nicht, dass Kohlund nicht ihm die Leitung der Ermittlungen übertragen hatte. Er legte auch keinen Wert darauf. Sollten sie doch die Führung übernehmen, die Jungen, Schönen und Ehrgeizigen. Er hatte seinen Posten und war’s zufrieden. Überhaupt war Schmitt zufrieden. Seit er Marissa kannte, konnte er das Leben wieder genießen. Der Stress mit den Kindern war vorbei. Annika studierte immer noch Journalismus oder hatte das Studium gewechselt oder beendet. Vielleicht hatte sie aus ihren Fehlern
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