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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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beruhige dich doch, jetzt bin ich wieder da.«
    » Auf einmal! Und was, wenn es jetzt zu spät ist?«
    » Wieso zu spät?« Sie sah, daß er zusammenzuckte. » Liebst du denn einen anderen? Doch nicht etwa ihn…« Die bittere Eifersucht des verlassenen Liebhabers stand ihm ins Gesicht geschrieben. » …Steinberg? Das darf nicht wahr sein!« Er lachte auf. » Sag, daß das nicht wahr ist.«
    Seine Art, sich lustig über sie zu machen, erboste sie noch mehr. » Und warum nicht? Für mich warst du so gut wie gestorben.«
    Sie spürte eine unbändige Lust, ihm allen Liebeskummer mit gleicher Münze heimzuzahlen, und sie gestand ihm ihre Schwärmerei für seinen Nebenbuhler. Sie sprach von Steinberg mit einer Zärtlichkeit, die mehr in den von ihr gewählten Worten als im Klang ihrer Stimme lag. Allein die Tatsache, daß er in seiner Stellvertretung ihr Liebhaber gewesen war, mußte bitter für ihn sein, aber die schonungslose Vertraulichkeit, mit der sie ihn in die Einzelheiten dieser Liebschaft einweihte, wie sie in dessen Armen an ihn gedacht habe, traf ihn so tief, daß er auf die Knie sank und sie um Verzeihung bat.
    Franziska gab sich zufrieden. Die Angst, er könnte sie verachten, die Peinlichkeit der Situation zuvor, ihr Schuldgefühl und die daraus resultierende Wut auf ihn– alle negativen Gefühle waren nun verflogen, und sie konnten einander wieder auf Augenhöhe begegnen. Sie zog die Vorhänge auf. Nie hatte sie das frühe Morgenlicht so wohltuend empfunden. Sie blickte in sein Gesicht und dachte, mein Gott, wie schön er ist und wie mir seine blanken Augen gefallen. Wenn er mich jetzt noch einmal fragen würde, ich würde auf der Stelle mit ihm gehen. » Was also wolltest du von mir, mein Karel?«
    » Dich fragen, ob du mit mir kommst.«
    Schon am nächsten Tag wurde der Hofrat nach jüdischem Ritus auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt. Steinberg sang in der Aussegnungshalle die tröstenden Psalmenworte.
    » Seine Werke sind vollkommen.
    Denn alles, was er tut, ist recht.
    Treu ist Gott und kein Böses an ihm…«
    Franziska zuckte zusammen bei dem polternden Geräusch, mit dem die Erde auf den Holzsarg fiel. Erst als das Grab im Beisein aller Trauergäste zugeschaufelt worden war, zerriß sie den Saum ihres Trauerkleids, pflückte einige Büschel Gras, zerrieb die Rispen und verstreute die Samenkörner auf dem Grabhügel. » In den Städten sollen sie grünen wie das Gras auf Erden.«
    Dann bildeten die Trauergäste ein Spalier, und während die Freunde und Bekannten ihnen die Trostworte zuriefen » Gott tröste euch inmitten aller übrigen Trauernden Zions und Jerusalems…«, verließen sie und ihre Mutter den Friedhof.
    Nach sieben Tagen Trauer packte sie ihren Koffer und folgte Karl mit ihrem kleinen DKW nach Dresden. Ihrer Mutter teilte sie in einem Abschiedsbrief mit, sie wolle am Bauhaus in Dessau ihr Studium der Innenarchitektur zu Ende bringen.

Tanglewood – Donnerstagabend, 8 p.m.
    Das Taxi wartet!« Joachims Stimme aus dem Garten schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Sie hatte nach dem Telefonat noch eine Weile darüber nachgedacht, ob sie den Brief an Karl tatsächlich abschicken solle und sich entschlossen, ihn auf dem Weg nach Tanglewood per Telefax aufzugeben. Steinberg hatte sie darin bestärkt. Auf seinen Rat konnte sie sich verlassen. Er war ihr in all den Jahren ein treuer Freund geblieben. Damals hatte sie ihn gefragt: » Ist es möglich über die Liebe hinaus Freunde zu bleiben?« Und er hatte genickt und geantwortet: » Eine Freundschaft, die noch tiefer ist als Liebe und wortlos auskommt, ohne jegliche Verpflichtung!«
    Das Haus der Gottwalt-Zwillinge lag etwas abseits von der Straße, nur einen Steinwurf vom Festivalgelände entfernt, auf einem Hanggrundstück oberhalb des Stockbridgesees, ein einstöckiges Gebäude im Kolonialstil mit einer verschachtelten Giebelkonstruktion, gesproßten Fenstern und grünen Läden. Es hatte lange Zeit dem Gründer des Tanglewood Festivals als Sommerdomizil gedient, bevor es von ihrem Vater erworben worden war, als er Ende der fünfziger Jahre die Leitung des Festivals übernommen hatte.
    Das Taxi bog von der Straße ab. Ein kirchturmhohes Doppelsilo an der Toreinfahrt diente als Wegmarkierung. Seine spiegelnden Aluminiumröhren loderten wie parallele Feuersäulen in der Sonne, die über den Berkshires unterging. Das Taxi fuhr einen abschüssigen Asphaltweg hinunter, durch einen zerzausten Gemüsegarten und hielt auf dem gepflasterten Hof.

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