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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ihrer Mutter.
    Eines Abends, er brachte sie nach einem Konzert nach Hause, drückte er ihr beim Abschied ebenso überfallartig wie ungeschickt einen Kuß auf den Mund und steckte ihr, bevor er davonstürzte, ein kleines Billett in die Hand. Darin schrieb er, wie unglücklich er darüber sei, sie in Zukunft nicht mehr treffen zu können, aber er müsse sich ganz auf sein Gesangsstudium konzentrieren. Als sie ihn zur Rede stellte, gestand er ihr, daß er sie liebe.
    Franziska war keineswegs schockiert, im Gegenteil. Insgeheim schmeichelte ihr sein Geständnis, und der Zauber, der darin lag, von einem Herzensfreund verehrt und wie auf Händen getragen zu werden, verfehlte auch bei ihr seine Wirkung nicht. Zumal auch sie jetzt ihr Verhältnis zu ihm klären konnte, das vorher wie mit einem Tabu belegt war. Es waren vielleicht nicht die gleichen Gefühle, die sie Karl gegenüber empfand, aber sie waren intensiv und stark genug, ihn zu erhören.
    War es ein Unglück, zwei Liebhaber zu haben? Einen in der Ferne, dem ihr Herz gehörte, und einen, dem sie gegenwärtig ihre Zärtlichkeiten schenken konnte? Und überhaupt, wer konnte es ihr verwehren, in den Armen des einen an den anderen zu denken! Vor einigen Tagen noch hatte sie im Theater in der Josephstadt eine chinesische Komödie gesehen. Da kam der Kaiser Liang Wu Di auf die Bühne und jammerte: » Ich bin der bedauernswerteste Mann auf der ganzen Welt, denn ich liebe zwei Frauen. Meine Lieblingsfrau und meine Nebenfrau.«
    Im Gegensatz zu jenem unglücklichen Kaiser kam sie sich keineswegs bedauernswert vor. Sie war voller Lebenslust, und als sie aus dem ersten Taumel seiner Umarmung erwachte und neugierig auf ihren neuen Liebhaber blickte, erschienen ihr seine Talente größer, seine Liebesfähigkeit heftiger, seine Pflichten heiliger, seine Vorsätze entschiedener und die Ernsthaftigkeit seiner Absichten überzeugender als vorher, so daß sie sich eingestehen mußte, die einzig richtige Entscheidung getroffen zu haben. Komplizierter würde die Sache allerdings dann werden, wenn Karl eines Tages auftauchte, sie zu holen.
    Es fiel ihr nicht schwer, die Liaison vor ihren Eltern zu verbergen, indem sie ihrem Studium gewissenhaft nachkam und ihre Pflichten aufs pünktlichste erfüllte. Wenn aber alle in den Betten lagen, schlich sie sich heimlich aus dem Haus und eilte zu ihm. Sie hatte keine Schuldgefühle, gewann ihre inner Ruhe wieder, vergaß über der Affäre nicht ihren verschollenen Lieblingsmann, während sie in den Armen des Nebengeliebten glückliche Stunden verbrachte.
    Doch mit einem Schlag sollte sich alles ändern. Der Zusammenbruch der Rothschild-Banken löste auch in Wien ein Bankensterben aus. Der drohende Konkurs der Wiener Dependance riß das Bankhaus ihres Vaters in die Insolvenz.
    An jenem Abend saß Fanny Wertheimer in der Premiere von Was ihr wollt im Burgtheater, und Franziska hatte Steinberg ins Cafe Central begleitet, wo er mit Tangoliedern auftrat, die er auf einer Schallplatte aufgenommen hatte. Überall dort, wo man Radio Wien empfangen konnte, hatte er sich mit seiner Belcantostimme in die Herzen vieler kleiner Mädchen gesungen.
    Als Franziska spät, aber noch vor ihrer Mutter nach Hause kam und das Licht sah, das wie ein Dolch aus der Tür des Arbeitszimmers ins dunkle Treppenhaus fiel, wollte sie ihrem Vater noch gute Nacht sagen. Sein Oberkörper ruhte auf dem Schreibtisch, als wäre er über seiner Arbeit eingeschlafen. Die eine Hand lag auf dem Schloß einer zerlegten Büchsflinte, während die andere neben seinem Schreibtischstuhl herunterhing. Franziska wollte, um ihn nicht zu wecken, die Tür schon wieder schließen, da sah sie die zweite Büchse in einer Blutlache zwischen seinen Füßen liegen. Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen hatte. Sie stürzte zu ihm hin, als könnte sie ihm helfen aufzustehen und alles ungeschehen machen, was doch endgültig geschehen war.
    Der Jagdaufseher in Donnerskirchen berichtete ihr am nächsten Morgen, daß der Hofrat ihm telefonisch aufgetragen habe, alles für die Entenjagd am Wochenende vorzubereiten. Danach mußte er nach dem Abendessen wie gewohnt in sein Arbeitszimmer gegangen sein und einige Gläser Joiser Jungberg Blauburgunder getrunken haben. Dabei ordnete er seine Privatpapiere und legte sie in die oberste Schublade des Schreibtischs, damit man nicht erst lange suchen mußte. Dann mußte er zwei Jagdgewehre aus dem Waffenschrank geholt haben, um sie für die Jagd auseinanderzunehmen

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