Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
waren ihr Haar und ihr Mund, unsicher und nervös ihre Bewegungen. Mit Vorsicht schmiegte sie sich an ihn– als sie plötzlich innehielt.
    Von unten aus dem Treppenhaus war ein leises Schluchzen zu hören. Rasch warf sie sich den Morgenmantel über, eilte mit nackten Füßen die Treppe hinunter und folgte den nassen Fußstapfen auf dem Parkett. Dort, wo Karl vor dem Sarg kniete, der für die Beerdigung bereits verschlossen war, hatte sich eine Pfütze auf dem Boden gebildet.
    » Karel…«
    Karl drehte sich erschrocken um und wischte sich die Augen. » …Franziska?«
    Er wollte schon aufspringen und sie in seine Arme schließen, als er plötzlich innehielt. Franziska ahnte, was er sah, denn sie hatte gehört, wie Steinberg ihr die Treppe hinunter gefolgt war. Sie brauchte sich nicht umzudrehen. Karls Blicke verrieten alles. Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken. Jetzt konnte sie den jammernden Kaiser in dem Theaterstück verstehen. Sie schloß die Augen, als könnte sie die peinliche Begegnung damit ungeschehen machen.
    Karl stand auf. » Entschuldigt, daß ich so unangemeldet reingeplatzt bin. Ich wollte nur mein Beileid aussprechen.«
    Sie hörte Steinberg die Treppe hinunterstürzen. » Nein, bleib doch nur!« Seine Stimme hallte durch das ganze Haus. » Ich bin schon weg.« Dann fiel die Haustür ins Schloß, und sie waren mit sich allein.
    Sie öffnete die Augen. Karl sah abgemagert aus. Seine Haare waren kurz geschnitten, so daß sein Nacken zerbrechlicher und sein Gesicht noch schmaler wirkte. Die Peinlichkeit, mit der sie sich konfrontiert sah, hatte sie nicht bedacht, als sie ihn herbeigesehnt hatte. Schließlich war sie es, die das Schweigen brach. » Ich habe dir dein altes Zimmer herrichten lassen…« Es fiel ihr schwer » du« zu ihm zu sagen, so fremd war er ihr geworden. » …weil ich sicher war, daß du zu Papas Beerdigung kommen würdest.«
    Auch er wußte zunächst nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Das vertraute » du« jedoch ließ ihn aufatmen. » Franziska, ich will dich…«
    Er machte einen Schritt auf sie zu, doch ihre Hand hielt ihn auf Distanz. » Was willst du von mir, Karel?«
    » …ich will dich holen, und ich will, daß du mit mir kommst, und ich will, daß wir nach Dresden ziehen, und ich will, daß alles wieder wird wie früher!« Die Chuzpe, mit der er über sie bestimmte, ohne auch nur zu fragen, was sie wollte, hatte etwas so Besitzergreifendes, daß sie wütend wurde. » Warum bist du nicht früher gekommen, wie du es versprochen hast?«
    » Ich wollte Papa nicht mit leeren Händen unter die Augen treten. Nicht, bevor ich es geschafft hatte. Aber mit einer Kapellmeisterstelle an der Dresdner Oper kann ich es ihm endlich beweisen…«
    » …dafür es jetzt zu spät. Und außerdem mußtest du ihm nichts beweisen. Warte.« Sie öffnete im Schreibtisch die oberste Schublade und holte ein unverschlossenes Kuvert heraus.
    » Ich habe einen Brief gefunden, an dich adressiert, den er schon vor einem Jahr geschrieben haben muß.« Sie zog den Brief aus dem Kuvert und las:. » Mein lieber Karl, Du hattest recht. Du mußtest Deinen Weg alleine gehen und nicht den Weg, der mir versagt geblieben war. Was ich Dir antat, tut mir leid, und ich möchte Dich um Verzeihung bitten. Gerne würde ich Dir das alles selber sagen, aber ich weiß nicht, wo ich Dich zur Zeit finden kann. Ich habe mich diesbezüglich mit Deinem Intendanten, Dr. Demetz, ins Benehmen gesetzt, aber auch er konnte mir nicht weiterhelfen. Ich bedaure es sehr, daß von gewissenlosen Personen Verdächtigungen über Dich in Umlauf gesetzt wurden, möchte Dir jedoch versichern, daß ich mit dieser Intrige nichts zu tun hatte. Ich habe mich an unsere Abmachung gehalten. Doch den Schaden, der Dir möglicherweise daraus entstanden ist, möchte ich wiedergutmachen. Ich habe für Dich und auf Deinen Namen ein Bankkonto bei der Dresdner-Bank-Filiale am Savignyplatz in Berlin eröffnet und dort einen hohen Dollarbetrag deponiert, der Dir jederzeit zur Verfügung steht. Ich wünsche Dir für deine Zukunft viel Erfolg und Glück, mein Junge, Dein alter Freund und Gönner Sigmund Wertheimer.«
    Sie faltete den Brief zusammen und steckte ihn zurück in das Kuvert. Ihre Hand zitterte, so sehr wartete sie auf eine Erklärung für sein spurloses Verschwinden oder wenigstens eine Entschuldigung, daß er nicht geschrieben hatte. Er nahm den Brief und steckte ihn in seine Jackentasche. » Aber, Fränzchen,

Weitere Kostenlose Bücher