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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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aber sie liebte es, weil es ihr Gesicht war. Sie drehte und neigte den Kopf zu ihrer Schokoladenseite, bis sie die ideale Linie fand, geformt aus Licht und Schatten, wie auf den Hochglanzfotos der UFA-Stars, die sie gesammelt hatte, seit sie zehn Jahre alt war.
    Die Farbe ihrer Augen konnte vielerlei Facetten haben: Wenn sie lachte, veilchenblau, dunkelblau wie ein Bergsee, wenn sie weinte, gletscherfarben, wenn sie launisch und unzufrieden mit sich war, und leuchtendblau, wenn sie im Rampenlicht Triumphe feierte. Sie hatte Augen, die ganze Welt in sich aufzunehmen, nur um sie an andere wieder zu verschenken. Irgend etwas in ihr sagte ihr, daß sie der Mittelpunkt des Universums sei, und daß keiner ihrer Schritte sie in eine falsche Richtung führen konnte.
    Auch noch als sie ihr Abitur bestanden hatte und an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik angenommen wurde, durchrieselte sie dieses freudige Grundgefühl der Selbstgewißheit, daß sie sie war, Gudrun Thennbergen, ein junges hübsches Mädchen, das singen und tanzen konnte und ihren Kommilitonen den Kopf verdrehte, und nicht eines jener jungen Dinger, mit denen sie in der akademischen Singgemeinschaft auftreten mußte, die gelegentlich in Revuefilmen oder bei Wunschkonzerten als Hintergrundchor eingesetzt wurden. Sie waren eine leichtsinnige Schar » jeunes filles en fleur«, voll Lebenslust und übersprudelnder Neugier auf alles, was mit Männern, Mode und heimlichen Rendezvous zu tun hatte, die ihr zwar die Last, sie selbst zu sein, durch ihr albernes Gekicher und Herumgetue ein wenig erträglicher machten, die aber keineswegs so auserkoren waren wie sie selbst. Denn sie hatte bei ihm ja einen besonderen Stein im Brett, und auf seinem Brett hatten nicht allzu viele Steine Platz. Die Freude und Gewißheit über dieses Privileg schnürten ihr manches Mal die Brust und Taille so eng zusammen, daß sie fast aufgejault hätte vor innerer Beklemmung.
    Natürlich wußte sie, daß es Altersgenossinnen gab, die berühmter waren als sie, wie Sonja Henie, die Eisprinzessin, die mit fünfzehn schon zwei olympische Goldmedaillen gewonnen hatte und in Filmen spielte. Aber wenn sie nur strebsam und ehrgeizig genug an sich arbeitete, konnte auch sie es zu Ruhm und Reichtum bringen, denn das ganze Leben lag noch vor ihr, endlos und so ungeheuer groß, daß sie nicht verstand, wie Menschen jemals alt werden konnten.
    Sie liebte sich, wie sie von den anderen geliebt wurde, und war nur allzu bereit, ihre Freude an sich selbst zu teilen. Liebeleien waren für sie kein Problem. Sie erlebte ihre Flirts stets wie eine erotische Achterbahn, bei der es aber nicht zum Äußersten kommen durfte. Ihr war nur wichtig, daß alle ihre Verehrer ihr versicherten, wie überwältigend sie sei in ihrer energischen Direktheit, ihrer sinnlichen Unschuld, ihrer mitunter kindlichen Fröhlichkeit, und von der Schönheit ihres Körpers schwärmten, ihren nicht zu vollen Brüsten, den schlanken Schenkeln und ihrer jungfräulichen Potenz. Sie war nicht prüde. Aber sie hatte ein Gelöbnis abgelegt, sich für den Märchenprinzen aufzusparen, der sie einmal erobern würde. Dabei hatte sie bei all ihrer Virginität durchaus ein Faible für strategische Erotik, jene Macht, die Frauen ausübten, indem sie die Rollenmuster einer von Männern beherrschten Welt nutzten, um in der Verfolgung ihrer eigenen Ziele voranzukommen.
    Sie zweifelte keine Sekunde daran, Gott hatte ihr eine Stimme geschenkt, um andere damit zu bezaubern und für die sie ihm gegenüber verantwortlich war. Mit unermüdlichem Ehrgeiz feilte sie so lange an ihrer Technik, bis die Töne weich und in mustergültiger Atemführung aus ihr herausströmten und ihre Stimme über jene Wärme verfügte, die man bei einem Sopran nur selten fand. Ihr Stimmvolumen war weder wild noch unberechenbar, sondern zielstrebig geformt und von einem irisierenden Wohlklang. Dabei achtete sie bei der Kombination von Worten und Tönen noch in den höchsten Höhen ihrer Kopfstimme auf makellose Intonation und sprachliche Genauigkeit, vermied rollende R oder hart gespuckte P und T und führte so lange einen fanatischen Kampf um ein perfektes Legato, bis ihre Stimme, bei einheitlichem Timbre über alle Gesangsregister hinweg, sirenenhaft intensiv und doch mattglänzend klang wie Perlmutt. Kein Wunder, daß sie mit dieser Stimme und ihrer berückenden Schönheit bald die Aufmerksamkeit des Propagandaministers erweckte, der ihr später Hauptrollen in

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