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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Verehrerinnen, die er in regelmäßigen Abständen zum Lachen brachte. Als sich ihre Blicke trafen, deutete er auf seine Uhr, nickte ihr zu und drückte beide Daumen.
    Als Herzog den Oberlichtsaal betrat und einen Augenblick zu lang im Eingang stehenblieb, um gesehen zu werden, hatte sie ihn entdeckt, bevor er sie entdecken konnte. Im Schutz einer Säule verfolgte sie durch ihr Opernglas, wie er sich mit einem vollen Weinglas durch die dicht gedrängte Gästeschar schlängelte, elegante Pirouetten drehte und durch sorgfältige Manöver jegliches Zusammenstoßen mit anderen Menschen zu vermeiden suchte. Er sah fabelhaft aus in seinem tadellos sitzenden Tuxedo und der enganliegenden weißen Satinweste, die seine Taille vorteilhaft betonte.
    Ziellos schlenderte er durch den Saal. Sie genoß es, in aller Ruhe und Ausführlichkeit sein hübsches Gesicht zu betrachten, die feine Nase und seine sanft geschwungenen Lippen, die er mokant ein wenig hochgezogen hatte. Aus der Nähe sah er ebenso anmutig aus wie von weitem. Verwirrt setzte sie das Opernglas ab. Und wieder wurde ihr mit Schrecken bewußt, daß es für sie kaum noch Schranken gab zwischen ihm und ihr. Im Zustand der Berauschtheit, in dem sie sich befand, seitdem er den Bankettsaal betreten hatte, kam er ihr noch attraktiver und begehrenswerter vor als auf jener Generalprobe, in der er sie zum ersten Mal erblickt hatte.
    An einem der Büfetts, an dem befrackte Kellner Tabletts mit gefüllten Gläsern und Kanapees entgegennahmen, um sie von hier aus schwungvoll an die Bankettische zu tragen, war Herzog stehengeblieben. Jetzt war auch er einer von ihnen. Mit Hilfe Krausniks war er endlich angekommen in Berlin, und er genoß die eifersüchtigen Blicke mancher Kollegen, die sich auf ihn richteten.
    Als besonderer Protegé seines Agenten, der nunmehr auch noch die Konzertagentur der Reichsmusikkammer leitete, hatte er rasch von Dresden aus Karriere in Berlin gemacht, wobei er bedenkenlos darüber hinwegsah, was seit der Machtergreifung geschehen war. Unzählige Menschen saßen in Konzentrationslagern oder in den Zuchthäusern, waren aus dem Land gejagt, in den Tod oder den Selbstmord getrieben worden, ob Juden, Christen, Demokraten, Sozialisten, Wissenschaftler, Künstler oder Militärs. Fast mühelos gelang es ihm, das Schicksal dieser » Volksfeinde« aus seinem Gesichtsfeld auszublenden, weil es in der Welt seiner Musik kaum eine Rolle spielte. Was er allenfalls wahrnahm, war, daß arische Musiker scheinbar problemlos die vakanten Stellen der davongejagten jüdischen Kollegen ausfüllten und in den Logen und dem Parkett der Konzertsäle zunehmend mehr Naziuniformen zu sehen waren, besonders dann, wenn ausländische Orchester auf Tourneebesuch nach Deutschland kamen. Denn die Nazis legten größten Wert auf die Selbstdarstellung ihres Landes vor ausländischen Besuchern und taten alles, um internationale Künstlerbesuche in Deutschland zu erleichtern.
    Bei dem ausverkauften Konzert in der Philharmonie am Abend zuvor war die gesamte Parteiprominenz angetreten. Hitler ließ es sich nicht nehmen, seine ausländischen Gäste höchstpersönlich zu begrüßen, und klatschte nach dem ersten Stück, der Rhapsodie Nr. 3 in As-Dur von D v ˇ o ´ rak, vor Begeisterung derart in die Hände, daß Sir Thomas seinem Konzertmeister mit hörbarer Stimme zuzischte: »T he old bloke seems to like it.« Sir Thomas hatte das Mikrofon vergessen, mit dem das Konzert aus der Berliner Philharmonie vom Großdeutschen Rundfunk übertragen wurde, und so hörte halb Europa seine Geisterstimme im Radio.
    Auf der Suche nach einem geeigneten Gesprächspartner winkte Herzog seinen Agenten zu sich, den er unter den Gästen entdeckt hatte. Im Knopfloch seines Dinnerjackets, in dem er sonst stets eine weiße Rose zu tragen pflegte, trug Krausnik stolz das frisch verliehene silberne Parteiabzeichen der NSDAP für Ausländer. Im Schlepptau folgte ihm ein großer, breitschultriger Mann, akkurat gekleidet und von britischer Vornehmheit, mit glattrasierten Wangen, die vom reichlichen Gebrauch eines scharfen Rasierwassers rötlich glänzten. Seine Stirn war breit wie die eines Wasserbüffels, und unter seiner klobigen Nase wuchs ein korrekt gestutzter Schnurrbart.
    » Darf ich die Herren bekannt machen, Karl Amadeus Herzog, Victor Lassally, erster Assistent von Sir Thomas Beecham. Schreibt Musikkritiken für die Londoner Times. «
    » Nice to meet you.« Herzog streckte dem Kritiker zur Begrüßung die Hand

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