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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Gottbegnadetenliste! Eine in mehrfacher Hinsicht ebenso anstößige wie unbequeme Geschichte, die Sie sich da ausgesucht haben, Miss…« Seine Stimme klang gepreßt. Da spürte er ihren Händedruck, entspannte sich und konnte wieder durchatmen. » …wer interessiert sich nach fast einem halben Jahrhundert noch für privilegierte Künstler, die sich von den Nazis hofieren ließen?«
    » Ich zum Beispiel, und die meisten meiner Studenten– um die Zeit von damals besser zu verstehen. In diesem Semester wollen wir herausfinden, wie sehr das Karrierestreben einzelner Künstler in der Nazizeit dafür verantwortlich war, daß andere ihr Leben oder ihre Existenz verlieren mußten. Wie Sie zum Beispiel, Sir Joseph. Mußten Sie nicht ebenso wie meine Familie emigrieren?«
    » Es wird immer solche geben, die davon profitieren, wenn andere ihre Stellung verlieren. Nächste Frage.«
    » Wie schafften es diese › Gottbegnadeten‹, Richard Strauss, Hans Pfitzner, Carl Orff, Karl Böhm, Knappertsbusch, Karajan, Jochum und wie sie alle hießen…«
    » Unseren Karl Amadeus nicht zu vergessen.«
    » …nach der Nazizeit die Seiten zu wechseln, ohne daß es einen Aufschrei gab?«
    » Weil ihr Publikum das gleiche tat wie sie. Man leugnete die Vergangenheit und fälschte seinen Lebenslauf, so einfach war das damals.«
    » Also gut! Nachdem die › Gottbegnadeten‹ ihre braune Tünche abgewaschen hatten, setzten sie im Gegensatz zu den Opfern ihre Karrieren unangefochten fort. Ich meine, abgesehen, was sich jeder einzelne zuschulden hat kommen lassen, die Frage muß erlaubt sein: Wie gingen sie danach damit um? Das ist eine der Fragen, die ich Maestro Herzog stellen will.«
    » Und Sie glauben, von ihm etwas Neues über den Umgang mit seiner Nazivergangenheit zu erfahren?«
    » Auf jeden Fall hat er mir ein Interview dazu versprochen.«
    » Und was erwarten Sie sich davon? Daß er sich dazu bekennt: Ich war jung, Hitler mein Idol, seine Macht hat mich fasziniert, ich war begeistert von der Choreographie seiner Parteitage, den Lichtdomen und Totenfeiern?«
    » Warum denn nicht?«
    » Entweder sind Sie so naiv, oder Sie tun nur so, Miss.«
    Sie überhörte die Bemerkung und insistierte. » Was meinen Sie denn, Sir Joseph?«
    » Ich meine, daß alles viel komplizierter war, als es heute den Anschein hat. Herzog war ein Konformist, kein Nazi, selbst wenn er auf dieser Liste stand. Als er in der Saison 1937/38, also noch vor dem Anschluß Österreichs, mit seiner Frau am Wiener Opernhaus gastierte, scheute er sich nicht, mich für die Rolle des › Dalibor‹ zu besetzen– immerhin die Titelpartie an der Wiener Staatsoper, und das mit einen Juden. Ihm war’s egal. › Klasse geht vor Rasse‹, pflegte er zu sagen. Er gehörte nicht einmal zu jenen Dirigenten, die sich schon vor dem Anschluß im vorauseilenden Gehorsam weigerten, mit jüdischen Kollegen aufzutreten.«
    » Aber er war Parteigenosse!«
    » Durch dieses Nadelöhr mußten viele der sogenannten arischen Künstler, die es in der nationalsozialistischen Hochkultur zu etwas bringen wollten– es sei denn, sie waren berühmt wie Furtwängler, oder sie emigrierten. Wem wollen Sie das heutzutage noch zum Vorwurf machen.«
    » Jenen Gottbegnadeten, die sich hernach als unschuldige Opfer der Nazis darstellten und sich damit brüsteten, selbst Verfolgte der › Soldateska und Barbarei‹ gewesen zu sein, die die deutsche Kultur zerstört haben‹, wie Richard Strauss voll Selbstmitleid geklagt hat.«
    » Sie und Ihre Studenten sind noch jung genug, sich über die Doppelmoral der › Gottbegnadeten‹ zu empören. Ich aber bin ein alter Mann. In meinem Alter lebt man mit dem Tod und sieht die Schandtaten der Vergangenheit mit mehr Nachsicht und Gelassenheit. Mein Fehler lag vielleicht darin, die versöhnende Kraft der Musik überschätzt zu haben. Aber schon als Kind glaubte ich an ihre unwiderstehliche Macht, die Menschheit über alles Trennende hinweg zu vereinen, selbst noch nach den Gewaltverbrechen in jener Zeit. Wenn uns Musik auch nicht von unseren Sünden erlösen kann, so kann sie uns doch helfen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen.«
    » Sie sind gleich nach dem Krieg mit Herzog wieder aufgetreten?«
    » Ach, wissen Sie, bei allem selbstherrlichen Größenwahn hatte er zugleich etwas zutiefst Kindlich-Naives, das stets einen großen Künstler auszeichnet. Und wie wir alle wissen, können große Künstler manchmal große Schurken sein. Caravaggio war ein Mörder, Wagner

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