Augenblick der Ewigkeit - Roman
hinein!«
Das Wiedersehen mit Herzog hatte ihn so sehr an jene glückliche Zeit in London erinnert, daß er als erstes Gudrun begrüßen mußte, die gedankenverloren durch » Klingsors Zaubergarten« streifte, der einmal auch ihr Zuhause gewesen war.
»Ich will mich in dir versenken;
Ist dir gleich die Welt zu klein.«
Ihre Stimme mochte mit den Jahren brüchiger geworden sein. Aus der Stereoanlage erklang sie, als stünde sie wie damals in der Kingsway Church vor dem Mikrofon. Selbst wenn die analoge Aufnahme nachträglich digitalisiert und auf eine CD gebrannt worden war, sie war alterslos und hatte nichts von ihrer Schönheit verloren.
Stolz hockte sie im Musikstudio des Hauses auf der Fensterbank, die Beine übereinandergeschlagen, und bot ihm ihr perfektes Lächeln, wie es in manchen ihrer alten UFA-Filme über die Leinwand geflimmert war.
» Ich werde nie vergessen, Victor, wie du damals gesagt hast , diese Aufnahmen seien für die Ewigkeit gemacht …« Denn war ihre kostbare, aber vergängliche Stimme erst einmal auf eine Schallplatte gepreßt, war sie unwiderruflich und mit jeder Macke für alle Zeit verewigt, um fortan in endloser Wiederkehr auf Tausenden von Plattentellern ins Leben zurückgeholt zu werden. » … und dafür werde ich dir bis an mein Lebensende dankbar sein.«
Lassally nahm die CD aus dem Player und steckte sie zurück in ihre Hülle. » Die Mathäuspassion war der eigentliche Grundstein zu seinem Imperium. Heute will er das natürlich nicht mehr wahrhaben.«
» Zu eurem Imperium…«
» Anfangs vielleicht, bis er mich nicht mehr brauchte. Ich wollte damals nur das eine: aufnehmen, herstellen, verkaufen. Mit den besten Interpreten, selbst für die kleinsten Partien. Eine Platte schöner als die andere. Er aber wollte mehr– die Macht, ganz für sich allein.«
» Trotzdem hast du dich überwunden herzukommen.«
» Das hast du ja schließlich auch getan!«
» Eigentlich sind wir alle über unseren eigenen Schatten gesprungen…«
Sie hatten sich ins Musikstudio zurückgezogen und in den alten Aufnahmen gestöbert, solange Karl draußen im Garten das Glückwunschzeremoniell und die spöttischen Kommentare über seine verunglückte Spritztour über sich ergehen lassen mußte.
Als der rote Rennwagen vom Grundstück geschossen war, waren alle im Orchester aufgesprungen und zur Auffahrt geeilt. Dort standen sie in stiller Erwartung, der Maestro käme gleich zurück, um die Gratulationscour fortzusetzen. Jedoch es vergingen die Minuten, und kein Motorengeräusch war zu hören, nur Wind, der sich in den Bäumen fing, und leises Meeresrauschen, das vom Strand heraufwehte.
Alle standen ein wenig ratlos herum. Lediglich Mr. Yoshiro Tanaka lächelte unentwegt. Er war begeistert, daß seine Geburtstagsüberraschung so glänzend eingeschlagen hatte, und wendete steif wie eine Puppe Kopf und Schultern gleichzeitig erst zur einen, dann zur anderen Seite. » O-háyo gozáimasu, shimátta– eine schöne Beschel u ung!«
Maria hätte ihn erwürgen können. Statt dessen lächelte sie nur zuckersüß und verschwand in die Küche, um Madame Hue und die jungen Damen des Partyservice anzuweisen, das Geburtstagsbuffet aufzutragen.
Als Herzog schließlich in Begleitung von Lassally die breite Steintreppe vom Strand heraufkam, herrschte kunterbunte Konfusion. Nichts konnte das Durcheinander, das sein unvermutetes Erscheinen im Rücken der Gesellschaft auslöste, treffender beschreiben: Die Leinenhose ölverschmiert, das Sweatshirt zerrissen, die Haare voller Glassplitter– kein Zweifel, irgend etwas war auf der Probefahrt schiefgelaufen. Von allen Seiten wurde er mit Fragen bestürmt. Nur Mr. Tanaka erkundigte sich diskret danach, wo der Maes u toro denn das Auto abgestellt habe, und schickte seine japanischen Mechaniker los, » die schöne Beschel u ung« zu bergen.
Madame Hue hatte das Essen unter einem Sonnensegel aufgetischt, und nach einem Tusch mußte Karl die Dobostorte anschneiden. Danach herrschte bald ein höfliches Durcheinander und Gedränge am Buffet. Es gab Champagner für die, die es wünschten, und da keiner sich weigerte, stellte sich bald eine ausgelassene Stimmung ein.
In den Bäumen flatterten die Vögel, aufgescheucht vom ungewohnten Geschrei der Gäste, die wie Schüler eines Klassentreffens alte Anekdoten aufwärmten und alle durcheinanderredeten. » …wißt ihr noch die Callas? Kurzsichtig wie das Kaninchen vor der Schlange…ja, bei der ›Tosca‹-Aufnahme…beim
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