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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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setzen und warten, stumm und ratlos, bis die Krankenschwester mit der Erlaubnis zurückkam, daß er Gudrun sehen dürfe.
    Sie schlief nicht, sondern lag, die Hände auf der Decke ausgestreckt, auf dem Rücken und sah ihm entgegen. Ihre Blicke, mit denen sie ihn zu sich heranrief, wurden strahlender, je näher er kam. » Komm, setz dich zu mir. Jetzt geht es mir schon wieder viel besser. Ich habe ein wenig geschlafen, während du Armer die ganze Nacht draußen auf dem Flur verbringen mußtest, wie mir die Schwester sagte.«
    Er setzte sich zu ihr aufs Bett. » Ich muß dir etwas gestehen, Gudrun, obwohl ich mich dafür schäme. Nicht ich– es war Lassally, der die ganze Nacht hier bei dir geblieben ist, während ich in Kingsway Hall die Aufnahme zu Ende gebracht habe.«
    Er sah, wie sie den Kopf zur Wand drehte, und sprach deshalb schnell weiter. » Ich weiß, daß etwas Sonderbares an mir ist, daß ich oft nur an mich selber denken kann, an meine Angelegenheiten und Wünsche und dir gegenüber blind und unachtsam gewesen bin. Du hattest recht, ich habe nie auf andere Rücksicht genommen, wenn es um meine Arbeit ging. Auf dem Weg hierher, da konnte ich mich plötzlich selber sehen, mit meiner Eitelkeit und meiner Schwäche…« Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen, aber er spürte, daß sie ihm böse war. Er gestand ihr alles, als ob sie sein Gewissen wäre, mit einem Beben in der Stimme, das sie vorher bei ihm nie vernommen hatte. » …manchmal denke ich, daß mir vielleicht Gefühle fehlen, die andere Menschen davor bewahren, bestimmte Dinge zu tun oder sich in einer bestimmten Weise zu verhalten, oder auch die Fähigkeit, die Dinge so zu sehen, wie sie tatsächlich sind…so, wie sie auch für andere sind… oder für dich zum Beispiel…« Er hatte ihr den Rücken zugewandt und konnte nicht sehen, wie ihre Augen ihn fixierten. » …ich habe mich selbst verabscheut, als ich merkte, wie eigensüchtig und blind ich gegenüber allem war, was dich und unser Kind betrifft.«
    Es war ihr nicht wichtig, was er sagte, sondern wie. Sein Tonfall und das unsichere Beben in seiner Stimme sagten ihr, wie sehr er sich schämte. » Mein armer, lieber Karl! Ich kann dich nicht so unglücklich sehen! Du mußtest tun, was du für richtig hieltst. Die Plattenaufnahme ist eben dein Baby, und ich bin sicher, daß sie genauso gelungen ist, wie meins. Ich will, daß wir sie Johanna nennen…«
    Da klopfte es an die Tür, und die Hebamme brachte ein schreiendes Bündel herein. Karl stand auf, nahm es der Schwester ab und begriff, daß das kreischende Wesen mit dem hochroten Gesichtchen seine Tochter war, von der er nicht hätte sagen können, woher sie auf einmal gekommen war. Er nickte nur und wiederholte, ohne nachzudenken » …Johanna, wie meine Mutter.«
    Neugierig betrachtete er das winzige Wesen, das unwillig strampelte, bis seine karottengelben Füßchen zum Vorschein kamen, und wunderte sich, daß sie richtige Zehen hatten, von denen zwei größer waren als die restlichen drei. Was er dem Neugeborenen gegenüber empfand, entsprach dem, was er erwartet hatte. Es war weniger Freude als vielmehr Angst, es könnte in seiner kreischenden Hilflosigkeit irgendwie zu Schaden kommen oder gar ersticken. Doch als die Kleine plötzlich aufhörte zu plärren, statt dessen einmal kräftig niesen mußte und ihn hernach mit klaren Augen anblickte, stiegen ganz unerwartet Freudentränen in ihm auf, so daß er lange Zeit kein Wort hervorbringen konnte.
    Da erklang draußen auf dem Korridor Musik, und wie von Geisterhand wurde die Tür geöffnet, und ein Servierwagen rollte herein mit einem tragbaren Grammophon, auf dem sich der Schellackmitschnitt drehte, den Karl in der Nacht aufgenommen und geschnitten hatte, und Gudruns strahlende Stimme füllte den ganzen Raum.
    »Ich will dir mein Herze schenken
    Senke dich, mein Heil hinein!
    Ich will mich in dir versenken;
    Ist dir gleich die Welt zu klein.«
    Lassallys grinsendes Gesicht erschien im Türrahmen. » Darf man denn gratulieren?«
    Karl hielt ihm das Baby entgegen, das wieder angefangen hatte zu schreien. » Ist es nicht wunderschön?«
    Lassally nickte und stellte den Plattenspieler lauter. » Aber unseres klingt viel besser!«

Saint-Tropez – Samstag
    Selbst nach mehr als vierzig Jahren war Lassally von ihrer Stimme wieder so überwältigt, daß er sein Gesicht hinter einem Taschentuch verbarg und sich kräftig schneuzen mußte.
    »Ich will dir mein Herze schenken
    Senke dich, mein Heil

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