Augenblick der Ewigkeit - Roman
antiimperialistische Solidarität im heldenhaften Kampf der Völker Vietnams, Laos und Kambodschas!« Sie erklärte, in Zukunft ein Teil ihres Honorars der Roten Hilfe zur Verfügung zu stellen, um die unschuldigen Genossen, die vom Berufsverbot bedroht waren, vor Gericht zu verteidigen und ihnen aus dem Knast zu helfen.
» Schwesterchen, ich an deiner Stelle würde das nicht so laut herausposaunen, wenn du in unserem Land jemals noch eine Professorenstelle an einer Musikhochschule anstreben solltest!«
Zu dritt fuhren sie nach Aix zu Gudruns Liederabend. Nach ihrem Abschied von der Bühne hatte Gudrun den Nimbus einer Primadonna assoluta als Liedersängerin. Sie war jetzt Ende Fünfzig und hatte nicht mehr die unverbrauchte Stimme von früher, die in den Jahren ein wenig größer geworden war, zuweilen vielleicht auch schon ein wenig schrill. Aber sie verfügte immer noch über ein betörendes Pianissimo in den höchsten Höhen. Ihre Koloratur perlte in makellosem Legato ohne Forcierung des Kehlkopfs, und die Übergänge von der Bruststimme über die Mittellage in die Kopfstimme bis hinauf in die extremsten Höhen konnte sie mit ihrer Technik so leicht bewältigen, daß nicht die geringste Andeutung eines Registerwechsels zu hören war.
Das Publikum im Hôtel Maynier d’Oppède war hingerissen, allein schon durch die Erscheinung, die sie bot, und lag ihr, als der letzte Ton der » Vier letzten Lieder« von Richard Strauss verklungen war, buchstäblich zu Füßen. Es war nicht das erste Mal, daß Maria die großartige Sängerin auf der Bühne erlebt hatte. Doch diesmal war Gudrun nicht nur Maestra, sondern Herzogs Frau und Joachims Mutter, unter deren Dach sie den Sommer verbrachte.
Beim Mitternachtssouper nach dem Konzert stellte Joachim Maria seiner Mutter vor. Das Essen im Garten der Villa Clos de la Violette war ausgezeichnet, der Wein von der Domaine Ott erlesen und die Stimmung ausgelassen. In Gegenwart seiner Mutter wirkte Joachim auf Maria übermütig wie ein kleiner Junge, der seinen Arm um sie legte und dabei laut verkündete » Mama, das ist die Frau, die ich einmal heiraten werde…« Anfangs glaubte sie, sich verhört zu haben, und hatte den Wunsch, sich so klein und unattraktiv wie möglich zu machen. Wie konnte er in Gegenwart seiner Mutter nur so etwas sagen? Er mußte doch wissen, daß sie ihn nicht wirklich liebte. Oder irrte sie sich, und sie liebte ihn vielleicht doch? Sie war verwirrt, fühlte sich von Joachims Ankündigung seltsam angezogen und zugleich abgestoßen. Widerspruchslos nahm sie die Glückwünsche der Tischgesellschaft entgegen.
Dann kam der Tag, an dem Herzog erwartet wurde. Es war so heiß und stickig, daß selbst die Zikaden in der Mittagshitze schwiegen. Die Sonne war ein weißer, wunder Punkt im hohen Dunst. Kein Lufthauch regte sich im Garten. Der Himmel wölbte sich über einem spiegelglatten Meer, das sich bis zum Horizont ergoß wie geschmolzenes Blei.
Schläfrigkeit hatte beide übermannt, und Maria ließ sich von Joachim lieben, in Besitz genommen eher als besitzergreifend. Wie eine träge Löwin lag sie auf dem Bett, ihr schweißnasser Körper unter ihm hingebreitet. Das Fenster zum Meer stand offen, und der weiße Glast flimmerte in seinem Rahmen wie ein überbelichteter Film. Sie hörte Joachims Keuchen an ihrem Ohr, das Quietschen der Bettfedern und das Knistern der Laken, wenn er sich bewegte. Eingeschüchtert von seiner Erregung, bewegte sie sich unter ihm in scheuer Ungelenkigkeit. Sie fühlte seinen Körper schwer auf sich, schlang die Beine um seine Flanken und wiegte ihn hin und her, als wäre er ein Kind. Sein Atem wurde immer schneller. Dann sank er über ihr zusammen. Abwartend verharrte sie in seiner Umarmung, ihren Körper an den seinen geschmiegt, und richtete sich zum Schlafen ein. In dem kleinen Schlafraum des Bungalows war es jetzt so still, daß sie die Pinienzapfen draußen fallen hörte und das Rascheln der Eidechsen im trockenen Unterholz.
Plötzlich war da ein Geräusch, so leise und gedämpft, als würde eine Katze Vögel fangen. Sie hatte die Arme um Joachims Rücken geschlossen, und über seine Schultern hinweg sah sie plötzlich sein Gesicht am Fenster. Seine Augen waren scheu und groß auf sie gerichtet. Als sie Herzog erkannte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, ein Lächeln, dem sie nachgab, weil Joachim verborgen blieb, was sie sah. Lautlos, wie er gekommen war, verschwand er wieder und ließ sein Trugbild auf ihrer Netzhaut
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