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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Musik!«
    Maria fand, je mehr Joachim sich in Rage redete, um so weniger überzeugend wirkte er. Herzog hörte sich seine Philippika an, ohne ihn zu unterbrechen. Er hatte sich einen Stuhl genommen, die Beine übereinandergeschlagen und ließ ihn mit allen seinen Argumenten ins Leere laufen, indem er dazu schwieg. Am Ende hatte Joachims Gesicht etwas von einem, der verzweifeln möchte, sich aber dessen schämt. Von einem plötzlichen Mitgefühl ergriffen, das sie selbst überraschte, strich Maria ihm eine Strähne aus der Stirn. Er aber machte eine zornige Armbewegung gegen ihre mütterliche Geste und rieb sich trotzig das Gesicht.
    » Hast du mir überhaupt zugehört, Papa?«
    » Ich habe gehört, wie verzweifelt du bist, mein Junge. Es tut mir leid, ich wollte keinen Streit anfangen. Du mußt eben tun, was du tun mußt, und ich kann dir dabei nicht helfen. Ich habe mich bemüht, aber ich verstehe die Neue Musik nicht mehr. Sie kommt mir vor wie eine geheime Sprache, die mir verschlossen bleibt.«

London – Sommer 1973
    Sie tauchten in den turmhohen Wattebausch einer Kumuluswolke, die all ihren Regen schon über das Land vergossen hatte. Das Flugzeug war eingehüllt von einem so reinen Weiß, daß Maria geblendet die Augen schließen mußte. Nach einem kurzen Blindflug stieß die Cessna Skylane durch die Wolkendecke, und Biggin Hill Airport lag unter ihnen. Herzog setzte zur Landung an. Regenschauer hatten feuchte Flecken auf der Landebahn des Londoner Privatflughafens hinterlassen, die vor ihnen lag wie graues Packpapier. Dumpf setzte die Propellermaschine auf und brauste über den Asphalt. Am Ende angekommen, bremste sie ab und rollte über den Taxiway zurück, bis sie vor dem Terminal für Geschäftsreisende zum Stillstand kam.
    Als Maria wieder festen Boden unter den Füßen spürte und der pfeffrige Teer- und Kerosingeruch des Airports ihr in die Nase stach, war ihr Kopf noch immer so voll Himmelblau, daß sie schier taumelte. Beseelt von der Unendlichkeit über der Wolkenprärie drehte sie sich um und wartete auf Karl, der die Cessna erst noch an einen Mechaniker übergeben mußte. Sie breitete die Arme aus und drehte sich noch einmal um sich selbst. » Das war ein phantastischer Himmel und ein so herrlicher Flug!«
    » Habe ich dir zuviel versprochen?«
    Sie schüttelte den Kopf und gab ihm seine Fliegerjacke zurück, die er ihr gegen die Kälte im Cockpit um die Schultern gelegt hatte. Sie glättete ihre Leinenjacke und atmete tief ein. Die Luft in England schmeckte weich und feucht wie aus einem Luftzerstäuber, im Gegensatz zu der stickigen Hitze an der Côte d’Azur.
    Es war ein prachtvoller Flug gewesen, so niedrig, wie sie über die Alpen geflogen waren. Maria war auf dem Kopilotensitz gesessen und staunte, wie das zweite Steuerhorn geheimnisvoll vor ihr auf und nieder ging, wenn Karl die Maschine navigierte. Steile Berge mit Feldern und Terrassen zogen unter ihr vorbei, und mittelalterliche Orte bedeckten wie steinerne Pudelmützen die Hügel, um die herum ein Hauch vom Graugrün der Olivenbäume schimmerte. Schon bald gewöhnten sich ihre Ohren an das Dröhnen des Boxermotors und das Orgeln des Propellers, so daß es ihr mitunter vorkam, die Maschine gleite lautlos über die Landschaft.
    Sie waren an den Savoyer Alpen entlanggeflogen, die violett und schneebestäubt zu ihrer Rechten lagen. Klare Luft holte die weißen Gipfel des Montblanc und des Monte Rosa so nahe heran, daß sie sehen konnte, wie unwirtlich und unbewohnbar sie tatsächlich waren. » Vor knapp zwei Wochen erst bin ich mit Joachim über diese Pässe in die Provence gefahren, und schon fliege ich mit dir in die entgegengesetzte Richtung. Dabei habe ich dich erst vor drei Tagen kennengelernt.«
    » Drei Tage sind eine lange Zeit, wenn man bedenkt, daß in drei Tagen die Welt zur Hälfte schon erschaffen worden ist.«
    Sie hatte nichts dagegen, von ihm wie ein Familienmitglied geduzt zu werden, und verstand sich selbst nicht mehr. Der Unterschied zwischen dem, was sie fühlte, und dem, was sie bei aller Vernunft bedacht hatte, hatte an Deutlichkeit verloren. Worauf hatte sie sich eingelassen, als sie sein Angebot angenommen hatte, ihn nach London zu begleiten?
    Schon vom ersten Tag an hatte Karl ihr nachgestellt. Er versuchte, sie und Joachim von der Arbeit abzuhalten, ging mit ihnen segeln und brachte ihnen bei, wie man Muscheln von den Felsen erntete und sie am Strand in Meerwasser mit Seetang, Wein und Knoblauch kochte. Gudrun,

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