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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Restrooms. Joachim legte die Marionettenpuppe zurück in ihren Karton und verschnürte ihn sorgfältig. Dann stand er auf. Das Mädchen sah ihm nach, machte ein Katzengesicht, fauchte und streckte die rotlackierten Krallen nach ihm aus.
    Joachim schob die Kreditkarte in den Telefonschlitz und wählte. Das Drucktastentelefon piepste. Dann kam das Freizeichen.

Saint-Tropez – Mittwoch bei Sonnenaufgang
    Maria dachte nicht daran, den Telefonhörer abzunehmen. Es war noch keine sechs Uhr am Morgen. Was erlauben sich die Leute? Sie ließ die Dusche plätschern und döste in der Badewanne. Im Gegensatz zu Herzog hatte sie auf dem Rückflug kaum ein Auge zugetan. Ihr Kopf ruhte auf einem Frotteehandtuch, und ihre Brüste spitzten aus dem Wasser, wenn sie sich bewegte. Gerade stieg die Morgensonne über die Schirmpinien und Eukalyptusbäume. Ihre Strahlen brachen sich vielfarbig in den geschliffenen Rändern der wandhohen Spiegel. Maria öffnete die Augen und blinzelte. Die Glastüren, die auf einen Balkon führten, standen offen. Über die Wipfel der Bäume hinweg konnte sie das Meer sehen– nel blu dipinto di blu–, das am Horizont nahtlos überging in einen tiefblauen Himmel, aus dem die Nacht noch nicht ganz vertrieben worden war. In gleichmäßigen Rhythmen brandeten Meereswellen über die Felsen, die vor der Steilküste aus dem Wasser ragten.
    Das Klingeln des Telefons wurde lästig. Maria tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Jetzt konnte sie es nicht mehr hören, nur noch das Rauschen der Dusche und das kräftige Pochen ihres Herzens.
    Sie war froh, daß Herzog seinen Ohnmachtsanfall in New York so glimpflich überstanden hatte. Gleich nach der Probe waren sie vom Kennedy Airport aufgebrochen. Herzog hatte darauf bestanden, den Falcon Jet selbst zu starten. Später, in der Kabine, war er wie ausgewechselt, als wäre im Flugzeug alle Erdenschwere von ihm abgefallen. Er setzte sich neben sie und starrte schweigend zur Kabinendecke hinauf, an der ein Sternengeflecht unzähliger kleiner Lämpchen glühte. Sie hielt seine Hand und lauschte auf die Fluggeräusche, auf das verläßliche Surren der Triebwerke und das Reiben der Luft an der Außenhaut. Sie flogen der Nacht entgegen. Schon bald schimmerte im Steuerbordfenster das Band der Milchstraße, und backbord funkelte das Sternbild des Großen Bären am Horizont so hell, wie sie es noch nie gesehen hatte. Sie spürte, wie er die Decke über seine Schultern zog und sich auf ihre Seite drehte.
    » Maria?«
    » Ja?«
    » Was, glaubst du, passiert mit uns, wenn wir einmal nicht mehr sind?«
    » Warum mußt du jetzt an so was denken?«
    » Ich bin ein alter Mann, Maria.«
    » Ich weiß es nicht. Ich stelle mir vor– offene Weite, nichts von heilig. Und was glaubst du?«
    » Daß jeder Körper, der einmal eine Seele beherbergt hat, aus dem Universum nicht mehr wegzudenken ist. Staub wird zu Staub und immer wieder zu Staub.«
    » Und die Seele, in was verwandelt sich die Seele?«
    » Als ich noch klein war, hat meine Mutter mir erzählt, daß sie davonfliegt und sich einen neuen Körper sucht, in dem sie wiedergeboren wird. In einem Menschen, vielleicht in einem Tier.«
    » Seelenwanderung– glaubst du an so was?«
    Sie spürte ein Nicken an ihrer Schulter, eine entschiedene Bewegung, wie ein stummes Geständnis. Maria richtete sich auf. » Glaubst du an Gott?«
    Herzog legte seinen Arm über die Augen. » Nicht an einen mit langem Bart und so. Und du?«
    » Ich glaube nicht, daß es ihn wirklich gibt.«
    » Ich denke, das ist seine Sache…«
    » Was?«
    » …ob es ihn gibt, oder nicht?«
    » Wenn du meinst. Jedenfalls schweigt er, wenn man ihn danach fragt.«
    » Stell dir vor, er würde antworten, auf jede unserer Fragen und alle unsere Bitten. Eine völlig irre Vorstellung…«
    Maria tauchte aus dem Wasser auf und rang nach Luft. Doch das Telefon hatte nicht aufgehört zu klingeln. Vom Nachbaranwesen der Filmdiva, die nach dem Ende ihrer Karriere auf ihrem Grundstück eine Zufluchtsstätte für streunende Hunde, vor dem Abdecker gerettete Maultiere und Pferde, verwilderte Schweine sowie herrenlose Hühner, Gänse und Hunderte von Tauben unterhielt und mit der Herzog wegen des Lärms und des Gestanks seit Jahren prozessierte, wehte der Wind das Geblöke, Geschnatter und Gebell herüber, während die Tiere gefüttert wurden.
    Wer mochte der Anrufer sein, der es so hartnäckig klingeln ließ? Mit einem Mal war Maria hellwach und beeilte sich, aus der Wanne zu klettern.

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