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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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spanisches Kinderlied.«
    » Kennst du es denn?«
    »… ›en unbols las tengo assadas, para ti, raoul. Manzanicas Colorados, que lindo color, ya te espera en la cocina, el cuchillo a zul‹ … Meine Großmama della Reina hat es mir beigebracht. Und dann?«
    » Auf dem Hauptfloß stand ein weißhaariger alter Mann in einem langen roten Mantel. Er war sehr würdevoll und stand hoch aufgerichtet. Um ihn herum lagerten dichtgedrängt Frauen und Kinder. Und alle sangen › Manzanicas coloradas, las que vienen de Stambol‹. Als sie unter unserer Brücke hindurchfuhren, begleitete der Vater sie auf seiner Geige und tanzte dazu, als hätte er vor langer Zeit einmal unter ihnen gelebt. Sie aber winkten zu ihm hinauf. Erst als sie hinter der nächsten Biegung verschwanden und nur noch ihr Gesang zu hören war, hörte er auf zu spielen und blickte ihnen wehmütig nach.«
    » Wehmütig– warum?«
    Karl zuckte mit den Schultern.
    » Keine Ahnung. Als ich ihn danach fragte, schüttelte er den Kopf und schwieg. Aber jetzt weiß ich, am liebsten wäre er mit ihnen gezogen– dann wäre all das Schreckliche nicht passiert.«
    » Du hast deinen Vater sehr lieb gehabt?«
    Karl nickte und holte Luft, wohl um den Kloß in seinem Hals runterzuschlucken.
    » Willst du noch mehr von ihm erzählen?«
    Er schüttelte den Kopf, doch dann besann er sich. » Weißt du, was das Schlimmste war?«
    Franziska rückte näher. » Was war das Schlimmste?«
    » Daß ich ihm nicht helfen konnte, wie er auf dem Karren lag und sterben mußte, und ich wußte doch, daß er noch nicht sterben wollte, er war ja noch nicht alt. Verstehst du, Fränzchen! Als mein Vater starb, hielt er meine Hand und ließ mich zurück, einfach so.« Er flüsterte nur noch. » Nie mehr will ich so hilflos und alleingelassen sein.«
    Er legte den Kopf auf die Knie. » Alles wäre nicht passiert, hätte ich doch nur den Soldaten gehorcht und einfach aufgespielt.«
    Franziska legte ihren Arm um seine Schulter.
    » Wenn du erst einmal bei uns bist, wirst du nie mehr einsam sein, Karel. Du wirst Freunde haben im Internat in Eisenstadt, und das Wochenende verbringen wir beide gemeinsam am See. Im Schloß des Fürsten Esterházy gibt es Feuerwerk und Konzerte, und du und Papa, ihr macht Hausmusik, und bei Sonnenuntergang reiten wir in die Salzsteppe, die vom Seeufer so weit nach Osten geht, wie das Auge reicht, wo es Störche und Silberreiher gibt und wilde Esel, und wir schlafen auf dem Heideboden bei den Hirten mit ihren zottigen Hunden.«
    Ein Windstoß fuhr durch das Geäst der Eiche, die Schatten auf dem Rasen waren lang geworden, und die wenigen Löwenzahnblüten hatten sich geschlossen. Karl schniefte. Franziska holte ein Taschentuch aus der Tasche, wischte sich die Augen und reichte das Tuch fürsorglich an ihn weiter.
    » Da, putz dir mal die Nase.«
    Eine Vertrautheit herrschte zwischen ihnen, als wären sie gemeinsam aufgewachsen.
    » Eisenstadt– ist das die Stadt, wo Joseph Haydn komponiert hat?«
    Es war das erste Mal, daß er so etwas fragte, und Franziska wußte, daß damit der Bann, der ihn in Karlsbad hielt, gebrochen war. » Und wo er auch begraben liegt, in der Kirche am Kalvarienberg. Und stell dir vor– ohne seinen Kopf!«

New York – Dienstag, 5 p.m.
    Am Tag der Abreise zog Papa seinen mauvefarbenen Paletot an, setzte den Zylinder auf und nahm mich bei der Hand. Ich erinnere mich noch genau. Zu Fuß gingen wir die Mühlbrunnenkolonnaden entlang zur Musikalienhandlung, wo bereits der Chauffeur mit dem Wagen wartete. Ich sehe Karl noch wie heute dastehen, in kurzen Hosen, wollenen Kniestrümpfen und hohen geschnürten Stiefeln, das kleine Köfferchen neben sich, und die Mozart-Puppe mit der Rokokoperücke und dem roten Mäntelchen im Arm, die er mir versprochen hatte.«
    Von ihrem Penthouse am River Side Drive reichte der Blick über den Hudson River und Fort Lee weit hinein nach New Jersey. Während Joachim über das Gehörte nachdachte, mußte er sich eingestehen, so gut wie nichts über seinen Vater zu wissen. Und das, was Franziska ihm erzählt hatte, war erst der Anfang. Sie hatte darauf bestanden, daß er sie nach dem Essen nach Hause begleitete.
    Die Nachmittagssonne fiel durch die offene Terrassentür und malte lichte Kringel auf zwei Ölgemälde an der Wand gegenüber.
    » Der Neusiedler See bei Donnerskirchen von Oskar Kokoschka, der uns manchmal dort in unserem Sommerhaus besucht hat, und das andere ist ein Porträt meiner spaniolischen

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