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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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aber wird er kommen?«
    Johanna schüttelte den Kopf. » Wir können leider nicht. Wir haben kurzfristig eine Konzerttournee durch Israel angenommen, Tel Aviv, Jerusalem, Haifa…«
    » Ihr habt was?«
    » Ben wartet am Flughafen auf mich. Unser Flugzeug startet in zwei Stunden. Ich muß gleich wieder los.«
    Ihr so leicht dahingeworfener Satz nahm ihm den Atem, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. Er stand mit offenem Mund vor ihr, wie als Kind, wenn er gescholten wurde. » Warum so überstürzt?«
    » Es war eine einmalige Chance für Ben und mich. Wir können es uns nicht leisten, solche Angebote auszuschlagen.«
    » Wenn ihr meine Hilfe braucht, Johanna, du weißt doch, ein Anruf von mir genügt!«
    » Genau darum geht es ja! Ben und ich, wir wollen uns unsere eigene Existenz aufbauen, unabhängig von dir.«
    Er lachte verlegen und um zu verbergen, wie sehr sie ihn damit getroffen hatte, wandte er ihr den Rücken zu und zupfte einige verwelkte Blüten aus einem Hortensienstrauch.
    » Kann Ben als Jude dort so ohne weiteres mit der Tochter eines ehemaligen Nazis auftreten?«
    » Bitte, Vater, hör auf damit…«
    » Wieso? Jeder weiß, daß ich in Israel noch immer als Persona non grata gelte.«
    Johanna fiel ihm verzweifelt um den Hals. » Mach es mir doch nicht so schwer. Hättest du dich früher an unserer Stelle anders entschieden?«
    Herzog machte sich los und rieb sich das Gesicht wie ein ärgerlicher Junge, der von einer Frau geküßt wird, die sich als seine Mutter aufspielt. » Ich hätte es vielleicht nicht anders gemacht.« Er nahm ihre Hand und drückte sie. » Ich weiß, ich war nie ein guter Vater, nie zu Hause, immer unterwegs. Konzerttourneen, Festspiele…«
    Johanna schien erleichtert und erwiderte seinen Händedruck. » …wenigstens konnte ich in den Klatschspalten der Zeitungen an deinem Leben teilnehmen, an deinen Liebschaften, deinen Affären.«
    » Aber in den Feuilletons auch an meinen Konzerten!«
    » Es war nicht immer leicht, die Tochter eines so berühmten Vaters zu sein. In ein paar Tagen sind wir zurück, um Lisa mitzunehmen, dann holen wir die Feier nach.«
    Sie wollte gehen, er aber gab ihre Hand nicht frei. » Erinnerst du dich noch, wie wir früher Pläne machten? Wir beide gemeinsam durch die Konzertsäle der Welt, du an deinem Cello und ich…« Mit einer resignierten Handbewegung brach er ab und strich ihr übers Haar. » Ach, mach, was du für richtig hältst!«
    Dann ging er über den Rasen, ohne einen Blick zurück. Sonst hätte er gesehen, wie Maria aus dem Haus gelaufen kam, Johanna um den Hals fiel und beide Frauen sich die Hände vor den Mund hielten, um nicht loszuprusten. Langsam stieg er die Steintreppe zum Strandbungalow hinunter und hörte nur, wie die Autotür ins Schloß fiel und das Taxi abfuhr.
    Er fühlte sich verlassen, alt und gebrechlich, und der Gedanke, nicht lang genug zu leben, um sein Werk zu vollenden, ängstigte ihn im gleichen Maße, wie er ihn empörte. Die Unausweichlichkeit des Todes kam ihm pervers vor und obszön, ein Skandal, den zu dulden er niemals bereit war.
    Im Bungalow zog er die Bermudas und das T-Shirt aus und betrachtete seinen nackten Körper im Spiegel. Er hatte kaum ein Gramm Fett auf den Rippen, seine Muskeln waren vom Dirigieren hart und seine Glieder sehnig. Die glatte Haut schimmerte oliv, obwohl sie nicht mehr so schnell braun wie früher wurde. Nein, sein Alter und seine Gebrechlichkeit zeigten sich nicht im Spiegel, der Tod lauerte hinter der Fassade, tief in seinen Eingeweiden.
    Er schlang sich ein Handtuch um die Hüften und stieg über eine Holztreppe hinunter in die Sandbucht. Er ließ das Frotteetuch fallen und watete mit hochgezogenen Schultern ins kalte Wasser. Als es ihm bis zu den Oberschenkeln reichte, blieb er stehen, schöpfte es sich übers Haar, rieb sich den Nacken naß, besprengte die eine, dann die andere Achselhöhle. Er schloß die Augen und verneigte sich mit aneinandergelegten Händen wie ein indischer Heiliger vor der Sonne, die inzwischen mehr als eine Handbreit über den Horizont gestiegen war. Dann ließ er sich ins Wasser gleiten und mußte über sich selber lachen. Früher wäre er mit einem Salto vom Felsvorsprung hineingesprungen.
    Hin und wieder untertauchend, schwamm er aufs offene Meer hinaus und ließ sich auf dem Rücken in den Wellen treiben. Sein Bauch durchbrach die Wasseroberfläche wie eine kleine sandfarbene Insel, und seine Arme und Hände bewegten sich wie Fische neben seinem

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