Augenblick der Ewigkeit - Roman
Warum war sie nicht gleich darauf gekommen?
» Nicht auflegen!«
Das Badewasser schwappte über den Rand. Fast wäre sie auf den nassen Fliesen ausgerutscht. Sie schnappte sich den Telefonhörer: » Hallo…« Sie atmete tief aus, als sie Joachims Stimme hörte. Sie hatte es geahnt! Wie ein Tennischampion ballte sie die Hand zur Faust und versuchte, cool zu bleiben.
» Nein, ich glaube, er schläft noch. Wir sind vor einer Stunde erst nach Hause gekommen.«
Sie setzte sich auf den Wannenrand und flüsterte in die Sprechmuschel hinein. » Was ist? Hast du dich entschieden?– Schade!– Verstehe, du kaust daran. Kau nicht zu lang, sonst verdirbst du dir den Magen!– Was? Moment: Habe ich das richtig verstanden, einen schwarzen Schnallenschuh? Und das um sechs Uhr in der Früh?– Das Marionettentheater– es steht jetzt im Empfangsraum der Universal in Monte Carlo. Ich weiß nur, da war so ein Karton dabei, mit Marionettenpuppen drin. Ich werde nachschauen, sobald ich in der Firma bin.– Nein, ich sage ihm nicht, daß du angerufen hast. Gute Nacht!– Ja, ich dich auch.«
In Dampf gehüllt, ein Handtuch vor ihren Körper haltend, trat sie hinaus auf den Balkon. Die Luft war noch frisch am Morgen. Sie warf ihr Haar über die Schulter, strich mit dem Handtuch darüber. Kleine Wasserströme rieselten über ihr Schlüsselbein. Nachdem sie sich die Haare trocken gerubbelt hatte, drehte sie sich um und betrachtete zufrieden ihr weichgezeichnetes Ebenbild in der beschlagenen Badezimmertür. Jetzt, nachdem Joachim sie unter einem fadenscheinigen Grund angerufen hatte, war sie sicher, daß er käme.
Sie hörte ein Geräusch, als würde es regnen. Die automatische Bewässerungsanlage im Garten hatte sich eingeschaltet und spie ihre Fontänen in hohen Bogen über den kurzgeschnittenen Rasen, der von Hibiskus-, Oleander- und Hortensiensträuchern gesäumt war. Sie liebte » Klingsors Zaubergarten«, wie Herzog sein Paradies nannte, fast mehr noch als das Haus selbst, eine blühende Trift von Blumen, Bäumen und Büschen, die von der rosafarbenen Villa bis hinunter zum Wasser führte. Hier hatte Herzog sich an einem der schönsten Flecken der Küste einen Lebenstraum verwirklicht, indem er Geld in pure Schönheit verwandelt und sich ein paradiesisches Fleckchen Erde geschaffen hatte, geschützt von Alarmanlagen, hohen Mauern und elektronischen Gittertoren.
Er hatte das Anwesen vor Jahren von einem gartennärrischen Dänen gekauft, der nach botanischen Trouvaillen verrückt gewesen war. Gesäumt von Statuen und Amphoren, zwischen exotischen Pflanzen mit pflaumengleichen Früchten und schmalen Schoten, zartem blauem Plumbago und Rosenhochstämmen, die zu schattenspendenden Schirmen getrimmt waren, führte eine breite Treppe zu einem Strandbungalow, der auf einem Felsvorsprung über einer Meeresbucht schwebte. Dahinter die blaue Unendlichkeit.
» Tire-toi, vieux bronleur!«
» Va te faire foutre ou je te casse la gueule, putain de merde.«
Die Schimpftiraden kamen von der Nordseite der Villa, wo westlich vom Hubschrauberlandeplatz die Gewächshäuser standen und der Nutzgarten mit den Beeten, Rebstöcken, Obstbäumen und Beerenbüschen sich bis in ein von windgebeugten Aleppo- und Seekiefern geschütztes Trockental erstreckte, das Reich von Madame Hue Lin Pao, der vietnamesischen Haushälterin.
Eines der Hängebauchschweine von nebenan hatte sich wieder unter dem Zaun durchgebuddelt und wühlte grunzend in Madame Hues Zucchinibeeten. Mit einem Stecken versuchte Monsieur Robert, einer der beiden Gärtner, das Tier aus dem Gemüsegarten zu vertreiben, während die Filmdiva auf der anderen Seite des Zauns zeterte wie ein Fischweib, eine Hand in die Hüfte gestemmt, in der anderen einen Futterkübel und auf dem Kopf einen Strauß bunter Lockenwickler.
» Oh, merde alors! Qu’est – ce que tu fais, conard?«
Das kleine Hängebauchschwein sauste währenddessen unter den Tomatensträuchern hindurch, wetzte, von Robert verfolgt, die Auffahrt hinunter und kam über den Rasen geflitzt, als Herzog in Bermudas und einem verwaschenen T-Shirt aus der Küche trat, um zur Bucht zu gehen.
» Treib die Sau zu mir, Robert! Wenn ich das Vieh zu fassen kriege…«
Von Robert gehetzt, kam das Tier im Schweinsgalopp auf Herzog zu. Wie ein freudig erregtes Hündchen, das sein Herrchen schon längere Zeit vermißt hat, dachte Maria, und als sie sich vorstellte, wie es Herzog gleich auf den Arm springen würde, um ihm das Gesicht zu lecken,
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