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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Lethargie das Ende seiner Kindheit ankündigte, hatte er einen immer stärker werdenden Widerwillen gegen das Klavierspiel entwickelt. Er hatte Angst, die Erwartungen des Hofrats zu enttäuschen, und setzte sich nur noch mit größter Überwindung an den Flügel. Angstattacken begleiteten sein Spiel, und er fing an zu patzen. Es gab Tage, da fühlten sich seine Hände kalt und leblos an, und die Finger waren wie gelähmt.
    Um nicht entdeckt zu werden, holte er in seiner Verzweiflung eine der neuen Schallplatten aus der Vitrine, eine jener schwarz glänzenden Scheiben, die nach dem neuesten Matrizensystem aufgenommen worden waren und in schweren Alben im Musiksalon aufbewahrt wurden. Sie ließ er dann statt seiner spielen, so daß jeder im Hause denken mußte, er probe fleißig. Er hingegen saß in tiefer Melancholie vor dem schwarz glänzenden Lackkasten, der nicht nur aussah wie ein kostbares Instrument, sondern auch so klang, blickte wie hypnotisiert auf den von einem elektrischen Laufwerk angetriebenen Plattenteller und beschränkte sich darauf, die Stahlspitze des Schallarms wieder auf den Rillenanfang zu setzen, wenn sie am Plattenende angelangt war. Regungslos, mit hängendem Kopf saß er dann vor seinem Flügel, als wartete er auf irgend etwas, auf etwas Überraschendes, noch nie Geschehenes, auf einen sich erbarmenden Engel mit imposanter hoher Stirn und schütterem Haar zum Beispiel, der ihn aus den Klauen seines dumpfen Brütens herausriß und zu sich emporhob. Um seinem Dilemma zu entfliehen, gab es nur einen Weg: Er mußte vor den Hofrat hintreten und ihn mit seinem Lebensentwurf konfrontieren. Aber er traute sich nicht.
    Er stand im offenen Scheunentor, rieb sich die Hände und überlegte, ob er nicht zum See hinunterlaufen solle, um vor dem Einschlafen rasch noch ein Bad zu nehmen. Da sah er, als er auf den Hof ins Mondlicht trat, Franziska auf der Veranda stehen. Im selben Moment stand sein Entschluß fest, ihr alles zu gestehen.
    Im Treppenhaus brannte kein Licht. Diffuses Mondlicht fiel durch einen gläsernen Lichtschacht. Er huschte die Wendeltreppe hoch, deren Verlauf die ovale Rundung einer Palette nachahmte, und dann den Gang hinunter. Unter seinen nackten Füßen knarrten die Dielen so laut, daß er von Zeit zu Zeit erschrocken stehenblieb. Er wagte nicht, das Licht einzuschalten. Im Halbdunkel des Korridors musterten ihn die Blicke strenger Ahnen, die aus ihren goldgerahmten Fenstern wie hungrige Vampire auf ihn hinunterschauten. Rotgepolsterte Barocksessel standen in geheimnisvoller Undeutlichkeit darunter, denn um die kostbare Kühle im Haus zu erhalten, hielt man die Fensterläden Tag und Nacht geschlossen. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Er stahl sich am elterlichen Schlafzimmer vorbei und gelangte über einen mit Rohrmatten ausgelegten Gang in den Westflügel.
    Vor Franziskas Zimmer blieb er stehen. Als er den schmalen Lichtstreifen unter der Türschwelle bemerkte, preßte er sein Ohr an die Tür. Sein Gehör war so fein, daß er ihren leisen Singsang hören konnte. Ohne anzuklopfen, schob er die Tür einen Spaltbreit auf, um einen Blick hineinzuwerfen. Was er sah, kam ihm wie ein sonderbares Schauspiel vor. Völlig reglos stand er in der Tür und hielt die Luft an.
    Franziska schien so versunken in den Anblick ihrer selbst, daß sie seine Gegenwart nicht wahrnahm. Er wagte kaum zu atmen, um sie nicht zu erschrecken. Die keusche Sinnlichkeit ihres nackten Körpers, die durch die Art, wie sie vor sich hinsummte und sich im Spiegel betrachtete, jeder Wirklichkeit entrückt war, bestürzte ihn. Nicht daß sie sich, seit er im Haus des Hofrats lebte, schon des öfteren nackt gesehen hätten, wenn sie etwa nachts heimlich schwimmen gingen. Jedoch im indirekten Licht des Spiegels, der ihrer Haut einen besonderen Schimmer verlieh, stürzte ihre rätselhafte Schönheit ihn in eine ähnliche Verwirrung, wie sie den jungen Törless überkam beim Anblick eines nackten Mitschülers, der schön wie eine griechische Gottheit plötzlich vor ihm stand. Wie jener hatte auch er nicht vorher ahnen können, welche Verheerung Schönheit in ihm anzurichten vermochte und wie empfänglich seine Sinne dafür waren, eine Macht so unwiderstehlich, daß sie sein ganzes Lebenswerk bestimmte. » …wie unbeschreiblich schön.«
    Sein hingehauchtes Kompliment wirkte auf Franziska wie ein Schlag. Sie erstarrte. Ihr Herz pochte wild. In ihrer Bestürzung hätte sie sich am liebsten im Bett

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