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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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werden. Maschas orakelhafte Vorhersage, die dunklen Möbel, die milchigweißen Musselinvorhänge, durch die das Mondlicht fiel– alles in dem neuen ungewohnten Ambiente war in geheimnisvoller Bewegung und beunruhigte sie. Sie hatte das Gefühl, als würde sich ihr Körper auflösen, um zugleich in einer schmerzhaften Kontraktion wieder auf ein Nichts zu schrumpfen, so daß sie kaum mehr atmen konnte. Sie richtete sich auf und blickte verwirrt um sich. Ein goldener Engel auf einer Konsole schaute sie an, mit geschlossenen Schwingen und einem sanft ausgestreckten Arm, als wollte er ihr einen Weg aus dem Dilemma von Enge und Entgrenzung weisen.
    Sie gehorchte seinem stummen Befehl, öffnete die Verandatür und trat hinaus in die Sommernacht. Regungslos stand sie an der Balustrade, fasziniert vom Quaken der Frösche, die bei Vollmond ihr feuchtes Biotop verlassen hatten und in die Büsche geklettert waren. Pappeln von dunkler Pracht ragten aus regloser Tiefe in den Nachthimmel, eine schmale Wolkenbank, scharf wie ein Messer, zog durch die silberne Scheibe des Mondes, und darunter schimmerte der See wie auf Hochglanz polierter Stahl. Franziska schauderte. Überwältigt faltete sie ihre Hände und blickte zu den Sternen
    Mücken rochen ihr süßes Blut und attackierten sie mit nervenaufreibendem Sirren. Sie verjagte die Blutsauger mit einem Taschentuch. Als eine Schnake auf ihre Wange landete, gab sie sich selber eine so schallende Ohrfeige, daß sich das Klingeln in ihrem Ohr mit dem Surren der Plagegeister und dem rhythmischen Wettgesang der Frösche zu einem Schleier aus Geräuschen mischte, der die Nacht umhüllte. Fast mußte sie über sich selber lachen.
    Da entdeckte sie eine Gestalt in einem weißen Gewand, die aus dem offenen Scheunentor jenseits des Hofes trat, einen Augenblick zögerte und sich aus dem Mondschatten der Stallungen löste, dann über den Hof huschte und schließlich im Haupthaus verschwand, ohne daß Rollo, der Hofhund, anschlug. Sie spürte, wie ihr Herz anfing zu klopfen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, und beklommen rieb sie sich die Arme.
    Es war nicht jenes Nachtgespenst da unten, das sie ängstigte, sondern etwas Unbekanntes, das aus ihrer Mitte wie Übelkeit heraufgekrochen kam und ihren Körper überflutete. Sie war ihm hilflos ausgeliefert. Je mehr sie sich dagegen wehrte, um so schneller schlug ihr Herz, als würde es sich selbständig machen. Rasch huschte sie zurück ins Bett und kuschelte sich verängstigt in die Kissen– die Zuflucht ihrer Kindheit vor dunklen Mächten. Doch das Pochen in ihrer Brust wurde immer stärker. Nach einer Weile strampelte sie das Leinentuch zur Seite und versuchte mit dem Bauch zu atmen. Ihr Herz fing an zu rasen, und sie geriet in Panik. Sie wollte schreien und blieb stumm.
    Mit Grauen war ihr bewußt geworden, daß die Welt um sie herum nur Schein war und sich dahinter eine unfaßbare und beängstigende Wirklichkeit verbarg. Ihr Leben kam ihr plötzlich vor wie eine kurze Episode, ein schmaler Lichtspalt zwischen ewigen Dunkelheiten, und die verbleibende Zeit, die ihr gerade noch so grenzenlos erschienen war, wie ein auswegloses Gefängnis. Das Gefühl von Endlichkeit durchzuckte sie, dauerte nur einen Herzschlag lang und schien doch eine Ewigkeit. Langsam beruhigte sie sich wieder. Zum ersten Mal hatte sie so etwas wie Todesfurcht gespürt, obwohl sie noch so jung war und ihr Leben überhaupt noch nicht angefangen hatte.
    Sie schaltete die Nachttischlampe an, stand auf und stellte sich vor den Spiegel. Sie hob ihr Nachthemd bis zum Kinn. Mit kindlichem Ernst betrachtete sie ihren nackten Körper, der eines Tages in einem Grab vermodern würde.
    » Du lebst nicht, Franziska, du träumst nur, daß du lebst.«
    Ihre Hände hielten das Nachthemd so, daß sie darüber hinwegblicken konnte. Was sie sah, war ein schlank gewachsener Körper mit Hüften, kaum breiter als die eines Knaben, ein flacher Bauch, der Ansatz eines ersten dunklen Flaums zwischen den Schenkeln und kleine Brüste, die die Frau in ihr erahnen ließen. Verwirrt dachte sie, daß dieser nackte Körper sie selber war, und spürte mit einem Mal eine mit Bangen vermischte Freude, ein Versprechen auf die Zukunft, das sie sich selber gab.
    Die Todesfurcht war wie weggeblasen. Mit unbewußtem Begehren betrachtete sie ihr Spiegelbild, ungeniert und ohne Scham, denn alles um sie herum schien wie von einer magischen Kraft verwandelt. Ihr war noch immer bang zumute, und zugleich fühlte sie

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